Sonntagsnamen und Wochensprüche

Das Kirchenjahr orientiert sich an drei Terminen:

Jeder Sonntag im Kirchenjahr hat einen Namen oder eine Nummer (z.B. der 3. Sonntag nach Trinitatis, der 4. Advent, Septuagesimae = 70 Tage vor Ostern). Nur wenige Fest- und Sonntagsnamen kommen aus dem Deutschen bzw. Germanischen wie "Weihnacht" ("weihen + Nacht"), "Fastnacht" (Beginn der Fastenzeit), "Ostern" (wohl verwandt mit "Osten").

Die anderen Namen stammen auf dem Griechischen ("Pfingsten", Lehnwort  "pentekoste" = 50. Tag nach Ostern; "Epiphanias" = Erscheinung) oder dem Lateinischen.

Von diesen verweist ein Teil der Namen auf den Charakter des Tages (z.B. "Advent" - adventus = Ankunft, "Trinitatis" = Dreieinigkeit, "Rogate" = Betet).

Die anderen beziehen sich auf Stichwörter aus dem lateinischen Eingangspsalm oder einer anderen Lesung. Da sie nicht immer mit den entsprechenden Texten der lateinischen Bibel übereinstimmen, müssen diese Namen sehr alt sein, wohl noch älter als die lateinische Bibelübersetzung:

Fast alle "lateinischen" Sonntage liegen in der Zeit vor und nach Ostern:

Septuagesimae "70. Tag" (vor Ostern)
Sexagesimae "60. Tag"
Estomihi "Sei mir" (Psalm 30,3f)
Invocavit "Er ruft mich an" (s. o., Psalm 91,15)
Reminiscére "Gedenke" (Psalm 25,6.3.22)
Oculi "(meine) Augen" (Psalm 25,15f)
Laetare "Freue dich" (Jesaja 66,10f)
Judica "Schaffe (mir) Recht" (Psalm 43.1f)
Palmarum "Palmsonntag" (Einzug Jesu in Jerusalem)
Quasimodo geniti "wie die Neugeborenen" (1. Petrus 2,2)
Misericordias Domini "die Barmherzigkeit des Herrn" (s. o., Psalm 33,5)
Jubilate "Jauchzet" (Psalm 66,1)
Cantate "Singet" (Psalm 98,1)
Rogate "Betet" (analog zu den anderen)
Exaudi "Erhöre" (Psalm 27,7-9)

Die Wochensprüche gehen wohl zurück auf einen Brauch der Herrnhuter Brüdergemeine, jeden Tag mit je einem Bibelvers aus dem Alten Testament (Losung) und Neuen Testament (Lehrtext) zu beginnen. Entsprechend werden auch den größeren Zeitabschnitten Bibelverse als Wochenspruch, Monatsspruch und Jahreslosung zugeordnet. Die Sprüche für Tag, Monat und Jahr geben damit jedem dieser Zeiträume eine besondere Note. Der Charakter der Sonntage dagegen ist schon seit altchristlicher Zeit durch das Gedenken an bestimmte Heilsereignisse oder gottesdienstliche Lesungen festgelegt. Daher wiederholen sich die Wochensprüche jedes Jahr und es ist problemlos möglich, sie in einem immerwährenden Kalender auch für die nächsten Jahre anzugeben.

Heinrich Tischner