Gedanken zum Erntedankfest

Liebe Leserin, lieber Leser,

es gehört sich, dass wir uns für eine Gefälligkeit bedanken. "DANKE" heißt: "Ich will immer daran denken und will dich immer wieder daran erinnern, welche Freude du mir damit gemacht hast." Danken beschränkt sich also nicht nur auf ein einmaliges Dankeschön, sondern schließt die Dankbarkeit ein, das lang anhaltende Gefühl der Verpflichtung, die ich dem Anderen gegenüber habe. Dankbarkeit ist fast eine Art Schuld, die ich zu begleichen habe: "Du hast mir Gutes getan – also suche ich eine Gelegenheit, um mich zu revanchieren." Das mindeste, was ich tun kann, ist mich bedanken. "Danke" heißt also auch: Ich erkenne meine Schuld bei dir an.

Was hat das mit dem ERNTEDANKFEST zu tun? Das ist doch nicht einfach ein Tag der Dankbarkeit, sondern das Fest der Ernte: Wir freuen uns, dass die Ernte mal wieder eingebracht ist. Den Meisten wird's egal sein, denn wer erntet denn heute noch? Nur noch eine kleine Minderheit.

Die herkömmlichen Erntedankgaben auf dem Altar stammen vom Acker oder aus dem Garten: Gemüse, Kartoffeln, Obst, Getreide – Früchte, die geerntet wurden. Dazu das tägliche Brot.

Aber Heu und Holz, Bier und Wein, Fleisch und Fisch, Eier, Milch und Käse rechnen wir schon nicht mehr dazu. Auch nicht Wasser und Luft, ohne die wir nicht leben können. Auch nicht Eisen und Erde, Kohle und Kalk. Auch nicht Öl und Gas, Wind- und Wasserkraft, Sonnen- und Kernenergie. Haben wir denn die Rohstoffe und Energiequellen selbst erschaffen? Eigentlich sehr kurzsichtig, unsern Dank nur auf das zu beschränken, was wir ernten können!

Ist es unser Verdienst, dass im ganzen Sonnensystem die Erde der einzige bewohnbare Planet ist? Können wir etwas dafür, dass unser Mitteleuropa mit seinem gemäßigten Klima uns Menschen einen idealen Lebensraum bietet?

Die Bauern wussten noch vor kurzem, dass sie nicht planmäßig produzierten, sondern dass ihnen die Ernte geschenkt wurde – trotz harter Arbeit und sauren Schweißes. Die meisten Menschen sehen das heute anders. Sie nehmen nur Leistung und Verdienst wahr, nicht mehr das Geschenk.

Es ist uns aber in den letzten Jahrzehnten bewusst geworden, dass wir trotz aller Arbeit und Technik an unsere natürlichen Lebensbedingungen, an unsere Umwelt gebunden sind. Leider merken wir auch: Durch alles, was wir selbst leisten, sind wir dabei, unsere Lebensgrundlagen nicht zu verbessern, sondern zu verschlechtern. Wir haben unseren ganzen Verstand aufgeboten, um unsere Erde so wohnlich wie möglich zu machen und allen widrigen Umständen zu trotzen. Jetzt müssen wir alle Vernunft zusammennehmen, um unseren Planeten nicht ebenso lebensfeindlich zu machen wie die anderen Begleiter unserer Sonne.

Dankbarkeit ist eine Art Schuld, die wir zu begleichen haben. Gegenüber unserm Schöpfer, der uns das alles zur Verfügung gestellt hat.

WAS KÖNNEN WIR TUN, UM UNSERE SCHULD ABZUTRAGEN?

  1. Uns mündlich bedanken, nicht nur am Erntedankfest, sondern täglich. Zum Beispiel, indem wir das Tischgebet wieder einführen.
  2. Alles tun, um unsere Erde wohnlich zu erhalten.
  3. Menschen, die ohne Schuld in Not geraten sind, an den guten Gaben Gottes teilhaben lassen. Und für "Brot für die Welt" oder ähnliche Organisationen spenden.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner

Wichtige Links:

Brot für die Welt: http://www.brot-fuer-die-welt.de

Kindernothilfe: http://www.kindernothilfe.de