Wort für den Monat April 2006

Jesus Christus ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt. (1. Johannes 2,2)

Liebe Leserin, lieber Leser,

"Wie ein Fest nach langer Trauer…, so ist Versöhnung, so muss der wahre Friede sein, so ist Vergeben und Verzeihn." Was haben das die Kinder bei der Feriengemeinschaft so gern gesungen! Es hat einem richtig mitgerissen, dieses Lied, und ging einem durch und durch.

Aber singen ist das Eine, ins Leben umsetzen das Andere und viel, viel schwerer. Können wir das auch singen, wenn uns der blanke Hass entgegenschlägt? Wenn uns jemand vorsätzlich und absichtlich wehtut, vielleicht noch mit der Ausrede "Ich mein's ja doch bloß gut"?

Versöhnen, wie geht denn das? Frieden finden, aber wo? Nicht nur vergeben, sondern auch vergessen? In solchen Situationen haben mir immer wieder folgende Überlegungen geholfen:

  1. Wer im Recht ist bei einem Streit, brauchen nicht wir zu entscheiden, sondern das weiß allein Gott. Das hat mir geholfen, meinen eigenen Standpunkt zu relativieren: Ich muss nicht unbedingt Recht behalten. Ich denke da immer an Schulkinder, die sich zanken. Die Erfahrung zeigt: Meist sind beide schuld, der eine hat provoziert, der andere hat draufgehauen. Was denkt Gott über die Streitigkeiten von uns Erwachsenen?
  2. Wir Erwachsene streiten uns eher, wer Recht hat mit seiner Überzeugung. Manche Standpunkte sind miteinander nicht zu vereinbaren. Vielleicht aber auch nur, weil wir zu kurzsichtig sind. Im Himmel ist einer, der hat einen besseren Überblick und weiß, wie alles zusammenpasst.
  3. Oft streiten wir uns aber nicht, weil wir verschiedener Meinung sind, sondern wie bei den kleinen Kindern, weil wir voller Aggressionen stecken. Wir dürfen aber Anteil haben am "Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft" und zu Menschen des Friedens werden.
  4. Das Wichtigste steht schließlich im Monatsspruch: "Christus ist die Versöhnung für die Sünden von uns und aller Menschen".

Kann denn Geschehenes ungeschehen gemacht werden? Das scheint gegen Vernunft und Erfahrung zu sein. Und doch: Am Computer lassen sich Fehler spurlos beseitigen und mühelos verbessern. Im tatsächlichen Leben haben die meisten Fehler keine Folgen. Wenn Worte töten könnten, würde wahrscheinlich niemand mehr leben. Meist ärgern wir uns nur und vergessen's wieder. Wir stecken auch Schläge und Schlimmeres ein, ohne dass es uns schadet.

Unser Problem ist eigentlich nicht, dass andere Menschen böse zu uns sind, sondern dass wir nicht das Format haben, das zu ignorieren. Ein kleiner Hund kann sich furchtbar aufregen, wenn er einen großen trifft. Den großen lässt das kalt. Erst recht braucht sich ein Elefant nicht um den kleinen Kläffer zu kümmern. Der große Hund und der noch größere Elefant haben Format. Sie können "vergeben". Format, den Frieden Gottes, brauchen auch wir, um vergeben und uns versöhnen zu können.

Ich weiß nicht, wie Jesus das gemacht hat, uns durch seinen Tod mit Gott zu versöhnen. Frühere Generationen hatten ihre Erklärungen, die vielen heute nicht mehr einleuchten. Aber nehmen wir ihn doch einfach beim Wort: Versöhnung, Frieden finden ist möglich – mit den anderen, mit uns selbst, mit Gott.

Mit freundlichen Grüßen

H. Tischner