Liebe Leserin, lieber Leser,
"sei doch nicht kindisch und werde endlich erwachsen!" Wie oft
haben wir das gehört, wie oft zu anderen gesagt. Kindisch, das ist
Dummheiten machen, weil man's nicht besser weiß. Ein Erwachsener
besinnt sich, bevor er etwas beginnt. Kindisch, das ist ohne
Verpflichtungen sein und von anderen abhängig. Ein Erwachsener
übernimmt Verantwortung für sich und andere. Kindisch sein, das ist
auch naiv und leichtgläubig sein. Ein Erwachsener ist kritisch und
lässt sich kein X für ein U vormachen.
Paulus erinnert uns daran, dass wir Kinder Gottes geworden sind im
Glauben an Jesus Christus und geht im Monatsspruch genauer auf dieses
Bild ein. Es bedeutet für ihn dreierlei:
- Ihm schweben die damaligen Verhältnisse vor Augen: In einem
Haushalt wuchsen Sklavenkinder zusammen mit den Kindern des
Hausherrn auf. Man merkte kaum einen Unterschied. Ein strenger
Hauslehrer erzog sie. Wenn sie Dummheiten machten, bekamen beide
Ohrfeigen. Wenn sie etwas tun wollten, mussten beide um Erlaubnis
fragen. Später erhielten die freien Kinder Rechte und Pflichten der
Erwachsenen, die Sklavenkinder blieben weiter unmündig und
unselbständig. Wirklich selbständig konnten nur die Kinder des
Hausherrn werden. Die Kinder von Sklaven blieben Sklaven. Es sei
denn, der Hausherr adoptierte eins von ihnen.
Durch die Taufe sind wir Kinder Gottes geworden. Wir sind das nicht
durch unsre Geburt, sondern durch Adoption. Gott hat uns als seine
Kinder angenommen. Damit sind wir frei, können frei entscheiden und
selbständig leben.
- Als Kinder brauchten wir Regeln und Maßstäbe. Das lernten wir
nur so, dass wir zunächst die Vorschriften der Erwachsenen wörtlich
befolgten und den Anordnungen gehorchten. Mit zunehmendem Alter
haben wir nicht nur die Regeln gelernt, sondern uns auch die
Denkweise zu Eigen gemacht, die dahinter steht. Nun können wir nach
bestem Wissen und Gewissen selbständig handeln. Wir brauchen den
Lehrer mit seinem erhobenen Zeigefinger nicht mehr.
So ist das auch in unserm Glaubensleben: Gott hat uns als seine
Kinder angenommen. Das ist aber nur der Anfang, die Adoption. Mit
Taufe oder Bekehrung sind wir ja noch nicht fertig mit unsrer
Entwicklung, sondern wir haben noch einen weiten Weg vor uns, biss
wir auch im Glauben erwachsen sind und unserm Gewissen folgen
können.
- Die Kinder des Hausvaters waren nicht nur frei, sondern auch
erbberechtigt. Die Kinder von Staatsbürgern erben das Bürgerrecht.
Kinder vermögender Eltern den Reichtum, Königskinder das Königreich.
Als Kinder Gottes haben wir Anteil am Reich Gottes hier schon auf
der Erde und an Gottes ewigem Leben in einer anderen Welt.
Das Reich Gottes ist geprägt von der Liebe, die wir jetzt schon in
unserem Leben verspüren und Wirklichkeit werden lassen dürfen. In
der Liebe erfahren wir Gott. Denn sein Wesen ist Liebe.
All das steckt in dem Bild vom Kind Gottes. Nachzulesen Galater
3,25-29.
Mit freundlichen Grüßen
H. Tischner