Monatsspruch März 2013

Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden; denn ihm leben sie alle. (Lukas 20,38)

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich hatte neulich einen merkwürdigen Traum: Ich fuhr mit meiner Familie mit dem Bus. An einer Haltestelle stieg ich mit vielen anderen aus und zählte die Häupter meiner Lieben. Eins fehlte. Ich fragte meine Frau und andere, die ich kannte: "Wo ist denn die Kathrin?" Keine Antwort. Ich habe mich darüber so aufgeregt, dass ich aufwachte. Da wurde mir klar: Die konnten gar nicht antworten, weil sie ja ebenfalls schliefen. Alle Mitfahrer waren irgendwie geistig abwesend, wie im Traum. Es war ja auch nur ein Traum.

Da kam mir der Gedanke: Ob so der Glaube entstanden ist, dass die Toten in der Unterwelt wie Schatten herumgeistern, wesenlos und nicht ansprechbar? So haben sich viele zur Zeit Jesu das Leben nach dem Tod vorgestellt: Tot ist tot, die Verstorbenen liegen im Grab und rühren sich nicht, so ähnlich wie wir im Schlaf, und wenn sie noch etwas wahrnehmen, so ist das wie ein Traum.

Inzwischen aber gab es neue Ideen und neue Hoffnungen: Schon Jahrhunderte vor Jesus lehrten die Philosophen, dass die Seele unsterblich ist. Sie schlüpft im Tod aus ihrem alten Körper, wie wir die Kleider ausziehen, wenn wir schlafen gehen. Der Körper ist etwas Lästiges. Er tut weh, wird müde und krank, hat Hunger und Durst, quält uns mit seinen Begierden und hemmt den freien Flug der Gedanken. Wenn wir tot sind, sind wir frei.

Die meisten Völker haben ihre Toten verehrt und ihnen geopfert. Die Toten können in unsren Gedanken nur weiterleben, wenn wir uns mit ihnen beschäftigen. Riten waren hilfreich, in denen man zum Beispiel die Verstorbenen zum Essen einlud. Oder wenn wir ihnen Blumen aufs Grab stellen.

Für die Juden war Totenkult eine Art Götzendienst. Aber auch sie konnten sich der Frage nicht verschließen, wie es nach dem Tod weitergeht. Als Traumgestalten in der Unterwelt herumgeistern, das war ein bisschen wenig. So kam der volkstümliche Glaube auf: Gott kann Tote wieder lebendig machen, wie es schon im Alten Testament erzählt wird (von Elija, 1. Könige 17,17-24; von Elisa, 2. Könige 4,18-37). So wird es am Jüngsten Tag sein, da stehen alle Toten wieder auf.

Also, ich weiß nicht! Wir haben uns doch ohne die Toten eingerichtet. Ihre Habseligkeiten sind verteilt, die Wohnung geräumt, die Witwe hat wieder geheiratet, der Arbeitsplatz ist anderweitig besetzt. Was soll werden, wenn die Auferstandenen kommen und ihre alten Rechte geltend machen? Ein Alptraum ist das!

Wie ist das nun? Kommen die Toten wieder oder ist nach dem Tod alles aus? Diese Frage beschäftigte schon die Menschen zur Zeit Jesu. Und was meinte Er dazu? Er ist doch selber auferstanden, also hat er doch wohl selber an die Auferstehung geglaubt?

Ja und nein. Die volkstümliche Vorstellung bis heute ist: Jesus wurde wieder lebendig (oder war nur scheintot) und kam wieder aus dem Grab raus. Und dann? Wie ging's dann weiter? Weitergelebt und später doch gestorben? Nach Indien verduftet? In den Weltraum gedüst zu den Außerirdischen? Oder ist das mit Jesu Auferstehung nur eine fromme Legende?

Der Monatsspruch steht am Schluss von Jesu Auseinandersetzung mit diesem Thema, eigentlich nur eine spitzfindige Auslegung einer Bibelstelle: Gott stellt sich dem Mose am Dornbusch vor als Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Die waren aber schon seit Jahrhunderten tot. Also müssen sie für Gott ja noch weiterleben.

Ist damit die Auferstehung bewiesen? Für mich ist wichtiger, was Jesus vorher sagt: Die Auferstandenen sind "den Engeln gleich und Gottes Kinder". Sie kommen nicht auf die Erde zurück, sondern leben wie die Engel bei Gott und vor Gott. Sie müssen nicht ihre wiederverheirateten Witwen und Witwer in Verlegenheit bringen, weil körperlose Wesen keine Ehe führen können. Das läuft doch auf die Unsterblichkeit der Seele und auf den christlichen Glauben hinaus, dass die Toten jetzt im Himmel sind.

Ach so, fast hätte ich's vergessen: Jesus ist ja auch im Himmel, oder? Nicht bei den Außerirdischen im Weltraum, sondern in einer Parallelwelt, der Welt Gottes, an der wir jetzt schon Anteil haben können und zu der wir berufen sind.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner