Monatsspruch April 2013

Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar. (Kolosser 2,6.7)

Liebe Leserin, lieber Leser,

kannst du das auch von dir sagen: "Ich habe den Herrn Jesus Christus angenommen"? Oder wie mit den Worten der Pariser Basis des CVJM: "Jesus Christus nach der Heiligen Schrift als meinen Gott und Heiland anerkannt"?

"Herr" im vollen Sinn des Wortes ist ja ein altmodischer Begriff und verkommen zu einer gedankenlos gebrauchten Anrede: "Herr Müller", das ist nicht sehr viel mehr als "Mann Müller". Man kann "Herr Jesus" heute im selben Sinn missverstehen. Ich habe mir in jungen Jahren Gedanken gemacht, wie man noch dafür sagen könnte: "Chef, Boss, Vorgesetzter…", das passt alles nicht. Manchmal rede ich ja, halb im Scherz, halb im Ernst, von "meinem obersten Chef", der über Dekan, Propst, Synode, Kirchenpräsident steht, aber ich stehe ja auch in einem beamteten Dienstverhältnis.

Was hat Jesus euch zu bedeuten? Für mich ist er die oberste Autorität. Wie wirkt sich das aus?

  1. Ich habe Jesus nicht persönlich gekannt, bin also auf das angewiesen, was ich "gelehrt worden" bin, d. h. auf die Bibel. Aber die Bibel ist dick und man kann sich darüber ereifern, dass Mose behauptet, der Hase sei ein Wiederkäuer, oder aus dem Buch Josua Anweisungen für die Kriegsführung herauslesen. Nein, nicht jedes Buch, nicht jedes Kapitel, jeder Buchstabe ist gleich wichtig, sondern "Christus ist die Mitte der Schrift" und die Tierkunde ist genauso weit davon entfernt wie die Kriege Josuas. Im Zentrum stehen Wort und Werk Jesu, und drum herum die Evangelisten, durch die wir überhaupt von ihm wissen, dann die Schriften der Apostel, dann der Rest des Neuen Testaments, dann, ebenfalls in sich abgestuft, das Alte Testament, dann die kirchliche Tradition, festgehalten in Millionen gedruckter Seiten, für mich gebündelt in den Schriften der Reformatoren, breitgetreten und wieder mehrfach gebündelt im Laufe von 500 Jahren und schließlich und endlich durch meinen eigenen Werdegang. Aber maßgeblich ist nicht die neuste Verordnung der EKHN oder das Wort des Ratsvorsitzenden, auch nicht die Universitätstheologie, auch nicht der Bundestag, sondern allein "Jesus Christus nach der Heiligen Schrift". Das bedeutet nicht, dass mich alles andere nicht kümmert. Aber Jesus ist oberste Autorität und letzte Instanz, und zwar dienstlich wie privat.
  2. Bei Volksabstimmungen in der römischen Republik (vor Caesar) galt der Grundsatz: "Das will ich, so befehle ich, als Begründung gilt mein Wille" - für Politiker eine radikal ehrliche Auskunft. Die haben sich nicht hinter Gutachten verschanzt. Und Jesus? Der hat sich manchmal scheinbar selbstherrlich über die Vorschriften hinweggesetzt. Aber nicht willkürlich. Denn er fragte hinter den Buchstaben des Gesetzes zurück: Was hat sich Gott dabei gedacht, als er Adam und Eva nicht als Einzelwesen, sondern als Paar schuf? Die Absicht war doch wohl, dass sie bis zum Tod zusammenbleiben sollten. Also ist der Scheidungsparagraph bei Mose nur eine Notverordnung, keine generelle Erlaubnis. Die oberste Instanz für Jesus war Gott. Deshalb ist auch für mich die oberste Instanz letztlich Gott, und das gibt mir das Recht, meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Aber nicht selbstherrlich wie die altrömischen Abgeordneten, sondern an der langen Leine der 3000-jährigen biblischen Überlieferung und eng gebunden an Jesus.
  3. Luther stand in Worms vor dem Kaiser und weigerte sich, seine Schriften zu wiederrufen, weil es nicht gut sei, gegen sein Gewissen zu handeln. Luther hat damit einen Stein ins Rollen gebracht. Heute ist die Freiheit, nach seinem Gewissen zu handeln, Teil unsres Grundgesetzes. Aber auch das Gewissen ist keine Willkür, sondern Bindung, "fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid", für mich also Bindung an Gott, an die Bibel und letztlich an Jesus Christus.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner