Wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dort kommt dir in den Sinn, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass dort vor dem Altar deine Gabe und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und opfere deine Gabe. (Matthäus 5,23)

Liebe Leserin, lieber Leser,

auch dieses Mal möchte ich Jesus selbst zu Wort kommen lassen.

Jesus hat zwar das Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe als eins "dem anderen gleich" nebeneinander gestellt (Markus 12,29-31) , betont aber mal den einen, mal den anderen Gesichtspunkt:

Jesus weist auch immer wieder darauf hin, dass wir verpflichtet sind, uns um den Frieden in unserm persönlichen Bereich zu bemühen. "Selig sind die Friedfertigen" (Matthäus 5,9), das sind Menschen, die keinen Streit suchen, immer wieder die Hand zur Versöhnung ausstrecken und bereit sind, x mal zu vergeben – ohne wie Petrus zu fragen, wann das Maß voll ist (Matthäus 18,21.22).

Erst der Nächste, dann der Gottesdienst, darum geht es in dem Spruch für diesen Monat. Es ist wie so oft eine groteske Situation, die Jesus zeichnet: Da ist ein Pilger, der einen tagelangen Fußmarsch oder gar eine Weltreise hinter sich hat, um in Jerusalem opfern zu können. Er hat sein Opfertier nicht mitgebracht, sondern kauft es erst an Ort und Stelle. Dann, nach all diesen Vorbereitungen, durchläuft er am äußeren und inneren Tempeltor die Kontrollen, steht in der Schlange der Opfernden, ist als Nächster dran, da fällt ihm ein, dass er Streit mit seinem Nachbarn hat. Er drückt dem Hintermann die Leine mit dem Tier in die Hand und sagt "Halt mal kurz, ich muss noch mal heim"… Der gute Mann hat ja schon ein Opfer auf sich genommen mit seiner Reise nach Jerusalem. Kann er sich nicht versöhnen, wenn er wieder daheim ist? Nein, sagt Jesus, erst versöhnen! Später ist der gute Vorsatz vergessen oder keine Gelegenheit mehr dazu, weil der Nachbar nicht mehr lebt. Der Friede hat den Vorrang.

Mein Ur-Urgroßvater hatte einen kleinen Disput mit seiner Frau, bevor er auf die Arbeit ging, bei der er tödlich verunglückte. Daher wurde in unsrer Familie die Mahnung weitergegeben: "Geht nicht im Streit auseinander." Es muss nicht so weit kommen, dass man kurz vor dem Ziel wieder umkehren muss, weil da noch was zwischen uns steht.

Ich habe diesen Bibelvers vom Opfer immer aufs Abendmahl bezogen: Gemeinsames Essen und Trinken versöhnt. Wir können nicht zusammen zum Abendmahl gehen und hinterher wieder wie Hund und Katz sein.

Jesus gibt uns auch Anweisungen, wie wir mit einem Mitchristen umgehen sollen, der einen Fehler macht: als erstes mit ihm unter vier Augen reden und nicht gleich öffentlich bloßstellen. Ziel soll sein, den "Bruder zu gewinnen", nicht ihn bestrafen oder rausschmeißen. (Matthäus 18,15-17) Einen Versuch ist es mindestens wert.

Nicht immer gelingt ein klärendes Gespräch. Da gibt uns Jesus auch das Recht, den anderen nicht weiter zu bedrängen, sondern ihn in Ruhe zu lassen und den Kontakt abzubrechen.

Herr Jesus, komm vom Himmel auf die Erde zurück, in unser Leben, in unsre Welt, und fang mit uns neu an das Reich Gottes Wirklichkeit werden zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner