Grundbegriffe des Glaubens: Glaube

Jesus: "Dein Glaube hat dir geholfen." (Matthäus 9,22)

Liebe Leserin, lieber Leser,

ein Prediger las den Bibeltext vor: "Und Adam war…; (umblättern) …; aus Tannenholz, innen und außen mit Pech verpicht." Kommentar: "Das kann man sich nicht vorstellen, das muss man glauben." So versteht man doch Glauben: "Weißt du, wie die neuen Nachbarn heißen? - Ich weiß nicht genau, ich glaube Müller." - Kindern erzählt man vom Osterhasen, und die glauben das tatsächlich. Aber nicht lange, weil sie irgendwann die Wahrheit herausfinden. Ist es mit Gott genauso? Glauben, so glaubt man, ist das Gegenteil von Wissen, eine unbeweisbare Vermutung.

Falsch! Die Kinder, die an den Osterhasen glauben, haben sich das nicht ausgedacht, sondern bekamen es von vertrauenswürdigen Erwachsen erzählt. (Ui, war ich sauer, als ich merkte, dass man mich belogen hatte!) Glauben ist nicht vermuten, sondern Worte für wahr halten. Dass man nicht alles glauben darf, habe ich schon als Kind gelernt, das war wohl der Sinn der Osterhasenlüge und vieler anderer. Vorsicht und kritisches Denken sind lebensnotwendig. Auch in der Religion.

Und erst recht im Geschäft. Wenn jemand Geld braucht, bittet er einen "Gläubiger" um ein Darlehen. Auf der Bank wird man kaum auf einen geliehenen Pelzmantel hereinfallen, sondern bei Schufa nachfragen, ob man der Antragstellerin glauben und vertrauen kann. Eine letzte Sicherheit aber gibt es nicht.

Das Wort für 'glauben' bedeutet in der Bibel 'vertrauen'. Jesus sagt siebenmal zu denen, die er geheilt hat: "Dein Glaube hat dir geholfen" - das waren keine unbeweisbaren und nutzlosen Überlegungen, ob die Engel Flügel haben, wie Adam aussah oder was der Neandertaler für Haare hatte. Sondern da war jemand krank oder behindert, hörte von den Heilungserfolgen Jesu und bat ihn um Hilfe.

Also mal ehrlich, ich war schon bei x Ärzten, die machten aufwändige und teure Untersuchungen und bestellten mich wieder und wieder, aber heilten nicht, da geh ich nicht mehr hin, zu denen hab ich kein Vertrauen. Meine Hausärztin macht das auch, ich zweifle am Sinn der Untersuchungen, aber sie hat mir schon mehrfach geholfen. Man sieht dem Doktor nicht an der Brille an, ob er was weiß und was kann, man muss es ausprobieren. Wenn ich ihm nicht vertraue, kann er nichts machen. So war es auch mit Jesus. Die Zuverlässigkeit kann man im Voraus nicht beweisen. Wie denn auch? Aber Glaube muss sich im Nachhinein bewähren, sonst taugt er nichts.

Der Prüfstein für den Glauben ist nicht die einleuchtende Richtigkeit: Jungfrauengeburt, Gottes leiblicher Sohn, Totenauferstehung, 3 = 1 (Dreieinigkeit), Wandlung in der Messe, Gottes Wort in der Bibel… die Liste der scheinbar unlogischen Glaubenswahrheiten ist lang. Der Prüfstein ist auch nicht die Übereinstimmung mit der Bibel oder der kirchlichen Lehre.

Der Prüfstein für den Glauben ist unser tägliches Leben: Da muss er sich bewähren, nicht vor dem kritischen Verstand. Ein Lehrbuchglaube, dass Gott Liebe ist, wird an der Wirklichkeit scheitern, in der so vieles geschieht, was gar nicht nach Liebe Gottes aussieht. Anders, wenn die "Macht der Liebe" in meinem Herzen anfängt zu brennen, da sind mir die Theorien egal, dann kann ich es akzeptieren, dass Gott mir vieles genommen hat, was mir wichtig war. Denn ich soll mich nicht an Dinge und Menschen hängen, sondern an Gott. "Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil." (Psalm 73,25.26)

Ich kannte einen gläubigen katholischen Journalisten, der von den Nazis gefoltert, sogar gekreuzigt worden war, der sagte: "In diesem Augenblick ist mir der Glaube vom Kopf ins Herz gerutscht." Glaube ist keine Sache des Kopfes oder gar eines unterentwickelten Verstandes, sondern des Herzens.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner