Grundbegriffe des Glaubens: Geist

Liebe Leserin, lieber Leser,

Pfingsten ist das Fest des Geistes. Genauer: des Heiligen Geistes, der am 50. Tag nach Ostern über die ersten Christen gekommen war. "Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Zungen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen." (Apostelgeschichte 2,3.4) Zungen, das kann auch 'Flammen' und 'Sprachen' bedeuten. Die Jünger begannen "feurig", begeistert zu reden und einander "anzufeuern" und hatten die wunderbare Gabe, sich verständlich auszudrücken, und die noch wunderbarere, auf einander zu hören und einander zu verstehen. Sie hatten "Feuer gefangen". "Ihre Herzen brannten" schon lange für Jesus, das ist so, wie wenn man frisch verliebt ist. eine Initialzündung der Liebe, so wie man am Lagerfeuer oder im Kamin erst mal eine Flamme braucht, damit das Holz anfängt zu brennen. Was dann richtig warm macht, ist aber nicht die Flamme, die schnell herunterbrennt, sondern die lange anhaltende Glut. Wer dauerhaft warm haben will, muss immer wieder Holz nachlegen, sonst ist "der Ofen aus" - in einer Liebesbeziehung wie im Glauben.

Der Heilige Geist ist unsichtbar, aber wir können ihn spüren, wenn wir "begeistert" sind, wenn uns gute Gedanken kommen und wenn wir in uns Talente, Begabungen entdecken. Die hat uns Gott nicht gegeben, damit wir uns als Stars aufspielen können, sondern dass wir damit unsre Aufgaben erfüllen und anderen dienen können.

Der Heilige Geist kam aber nicht erst an Pfingsten in die Welt, sondern ist schon immer drin: Vor der Schöpfung war nur Chaos. Aber "der Geist Gottes schwebte über der Urflut" (Genesis 1,2). Er kam in die Welt mit dem Schöpfungswort "Es werde Licht", sozusagen im Urknall. Gott schuf Menschen und Tiere nicht aus dem Nichts, sondern aus Lehm, aus toter Materie, "und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase." (Genesis 2,7) Unser Leben, alles Leben, hat sich nicht einfach entwickelt, sondern entstand durch eine Neuerung: Steuerungselemente, die Gene, die dafür sorgen, dass die Körperzellen funktionieren und zu einem Organismus heranwachsen. Alles nur Zufall? Wenn unser Körper so entstanden ist und funktioniert, warum soll nicht auch unsrer Welt ein Steuerprogramm (biblisch: der Geist Gottes) zugrundeliegen?

Was ist Geist? Zungen und Flammen sind ja nur Bilder. Die Menschen im Altertum (nicht nur die Bibel) verglichen Geist mit Atem und Wind: unsichtbar, aber energiereich. Ist Geist Energie? Damit verheddern wir uns im naturwissenschaftlichen Denken, das nur Materie und Energie anerkennt und die Augen davor verschließt, dass unsre Welt kein Chaos ist, sondern gestaltet ist und nach erkennbaren Regeln funktioniert, vom Naturgesetz bis zum Völkerrecht. Und genau das ist auch die Meinung der Bibel: Nach Genesis 1 war die Schöpfung nicht einfach Produktion, sondern Gott fing an aufzuräumen und so eine geordnete Welt einzurichten. Das ging damit weiter, dass er auch dem Menschen eine Lebensordnung gab, schon im Paradies: "essen, was auf den Bäumen wächst" (wie die Affen!), später Kleider, Grundbegriffe der Moral, Gesetze - und schließlich das Liebesgebot Jesu.

Der Geist Gottes gestaltet die Welt, das ist sein Wesen. Und er führt weiter über das Körperliche hinaus, zersplittert in viele Geister und Ungeister: der gute Geist unsres Grundgesetzes und der Ungeist der Habgier, die tiefgründige Gedankenwelt der Denker und Dichter und die Schnapsideen, die jeder von uns hat. Und der Mensch ist auch nicht das Letzte, was dem Schöpfer eingefallen ist. Da ist einmal die höhere Ordnung der Religionen, Staaten und Kulturen, aber wohl auch Wesen, die reiner Geist sind, Engel und Dämonen, die seligen und verdammten Verstorbenen. Hitler geistert noch genauso durch unsre Köpfe wie Jesus.

Schon bei der Schöpfung hat sich Gott vorgenommen, Wesen zu schaffen, "nach seinem Bild" (Genesis 1,26). Er hat uns etwas von seinem Lebensgeist gegeben und Anteil an seiner Weisheit, die in Jesus sichtbar geworden ist, und Anrecht auf das ewige Leben – als Geistwesen.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner