Grundbegriffe des Glaubens: Sünde

Das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde. Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit. (1. Johannes 1,7-9)

Liebe Leserin, lieber Leser,

früher haben Eltern ihre Kinder in die Kirche geschickt und beim Mittagessen abgefragt: "Was hat denn der Pfarrer gesagt?" Da mussten sie bei der Predigt aufpassen, damit sie zu Hause berichten konnten. Zuhören kann man nicht von Geburt an, aber man kann's auf diese Weise lernen.

So ging es auch einem wortkargen Kind: Es berichtete: "Er hatte es von der Sünde." - "Und was meinte er dazu?" - "Er war dagegen." Was soll man auch anderes dazu sagen?

Es gibt zwei Möglichkeiten, mehr darüber zu sagen: 1. die Moralpredigt, was man tun und lassen sollte (besonders beliebt: über Abwesende schimpfen oder über die Zustände). 2. allgemeine Erklärungen, was Sünde ist (besonders beliebt: "Trennung von Gott", mit dem Zusatz: "Jesus hat die Trennung überwunden".)

Moralpredigten hören wir nicht gern. Es muss doch jeder selber wissen, was er verantworten kann und schließlich hat doch jeder Dreck am Stecken und einen "Splitter im Auge". Es ist lieblos über andere zu richten. Dieser Grundsatz kann aber auch ein bequemer Vorwand sein, sich nicht um andere kümmern zu müssen. Den Nächsten vor die Hunde gehen lassen ist falsch, und überhebliches Kritisieren auch. Und erst recht ist es falsch, wenn wir unsern Kindern nicht sagen, wo's lang geht, in der Meinung, Freiheit sei das oberste Gebot.

Was ist überhaupt Sünde? Das deutsche Wort kommt nicht von Sund 'Meerenge, die zwei Landesteile trennt' und auch nicht von absondern. Die älteste Bedeutung ist 'Gewaltverbrechen'. Das war immer und überall verboten.

Das mit "Sünde" übersetzte biblische Wort meint was weniger Schlimmes, ursprünglich einen 'Fehlschuss', wenn man nicht getroffen hat, dann im weiteren Sinn: Fehler die wir machen und die wir haben - und die quälen mich mehr als das, was ich mir zuschulden kommen ließ. Es ärgert mich immer noch, dass ich als Schüler einer Frau mal den falschen Weg gewiesen hatte. Und noch mehr, dass ich nicht strategisch denken kann.

Das mit 'Schuld' übersetzte biblische Wort bezeichnet nicht eine 'strafbare Handlung' oder 'unerledigte Pflicht', sondern die schlimmen Folgen unsres Tuns: Jemand bewirbt sich um eine Stelle, der Personalchef sucht Informationen, findet ein unvorteilhaftes Foto von einer Party und sagt ab. - Ein Kandidat für ein hohes Amt stolpert über seine eigenen Untugenden. Er wird angeklagt und nach langem Prozess freigesprochen. Aber sein Ruf ist ruiniert und seine Karriere kann er vergessen.

Diese kleinen Versehen sind für uns braven Bürger schlimmer als die schweren Vergehen und Verbrechen, vor denen wir uns unser Leben lang gehütet haben. Wie gehen wir unsern Fehlern um? "Das war ich nicht" ist kindisch, auch wenn es namhafte Persönlichkeiten behaupten. "Wir sind alle kleine Sünderlein" und "keiner ist vollkommen" ist allgemein und unverbindlich. Persönliche Probleme lassen sich nicht mit allgemeinen Floskeln lösen. Mit wem kann ich reden?

Mit Gott kann ich reden. Er kennt mich durch und durch, ihm kann ich nichts vormachen und ihm gegenüber kann ich ehrlich sein. Er putzt mich nicht runter. Das ist, wie wenn sich ein Kind seiner Mama auf den Schoß setzt und sich ausweint. Schuldig oder nicht, die Mutter streicht über den Kopf und trocknet die Tränen ab und alles ist wieder gut.

Seit ich das kapiert habe, fällt es mir nicht schwer zu sagen: "Entschuldigung, ich hab einen Fehler gemacht": Entwaffnende Ehrlichkeit verblüfft und wird akzeptiert. Den Kopf runter gerissen hat mir deswegen noch keiner.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner