Grundbegriffe des Glaubens: Schöpfung

"Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen." (Luther zum 1. Glaubensartikel)

Liebe Leserin, lieber Leser,

können wir heute noch von Schöpfung reden, wo doch die Wissenschaft festgestellt hat, dass die Welt nicht absichtlich geschaffen wurde, sondern sich zufällig entwickelt hat? Dabei geht es mir nicht um ein paar läppische Fragen, ob das wirklich nur sechs Tage oder Milliarden von Jahre gedauert hat, ob die Pflanzen eher da waren als die Sterne oder ob Eva aus Adams "Rippe gebaut" wurde. Das sind alles nur Nebensachen. Die Grundsatzfrage ist: Schöpfung oder Zufall? Damit steht und fällt unser Glaube.

Zu Beginn der Neuzeit hat sich die Naturwissenschaft von Philosophie und Religion abgekoppelt und begonnen, die Welt zu erklären, "als ob es Gott nicht gäbe". Wir verstehen, warum der Apfel vom Baum fällt, wieso es blitzt und donnert oder was die Ursache von Ebbe und Flut ist, ohne annehmen zu müssen, dass da ein unsichtbares Wesen am Schaltpult sitzt und jedes Mal aufs Knöpfchen drückt. Die früheren Gelehrten dachten an ein mechanisches Wunderwerk, das funktioniert, ohne dass sich jemand drum kümmern muss (wir haben heute besseres Anschauungsmaterial). Die Naturwissenschaft hat erkannt, wie diese "Maschine" funktioniert, aber sie kann keine Auskunft geben über ihren Ursprung und ihren Sinn, wieso es sie gibt und welchen Zweck sie erfüllt.

So ist es ja auch mit unserm Leben. "Warum bin ich auf der Welt?" Der Arzt wird mir erklären, wie ein Baby entsteht, kann aber bei der Frage "Warum bin ich da?" nur die Schultern zucken. Ein Physiker kann mir genau sagen, was beim Urknall passiert ist, weiß aber nicht, wie es dazu kam und was vorher war. Er kann allenfalls sagen, was er als Christ oder Atheist davon hält, aber das gehört nicht mehr zu seinem Fachbereich.

Was wird ein Atheist sagen? "Da es keinen Gott gibt, kann es auch keinen Schöpfer geben. Dann ist alles nur Zufall. Dass es mich gibt, ist Zufall, mein Leben kann keinen Sinn haben, weil es keinen gibt, der sich was dabei gedacht hat." Wer Gott aus seinem Denken ausschließt oder nie gelernt hat, mit ihm zu rechnen, braucht Gott nicht, so wenig wie meine Großeltern eine Tastatur gebraucht haben.

Und der Christ? Behauptet natürlich genau das Gegenteil. Er hat gelernt mit Gott zu rechnen, so wie ich gelernt habe mit der Tastatur zu schreiben. Da steht Meinung gegen Meinung und Glaube gegen Glaube. Denn auch Atheismus ist nur ein Glaube. Beweisen lässt sich weder das eine noch das andere. Glaube ist aber keine unbeweisbare oder beweisbare Meinung, sondern wie ein Parteiprogramm: Die Regierung kann ihr Programm so wenig beweisen wie die Opposition - aber sie muss den Wählern beweisen, dass es ihr ernst war mit den Wahlreden und was ihre Pläne taugen.

"Zufall" ist nur eine Verlegenheitsauskunft, wenn man nicht an Gott glauben kann oder will. Wer an ihn glaubt, nimmt an, dass er sich was gedacht hat und immer noch denkt, dass er einen Plan mit der Welt und mit mir hat. Der Sinn unsres Lebens ist, was Gott mit uns vorhat.

Es ist doch nicht so, dass in der Welt alles dem freien Spiel der Kräfte überlassen wäre. Auch ein Steinklumpen im Weltraum muss sich an die Naturgesetze halten. Seine Bahn folgt nicht dem Zufall, sondern er wird von einem anderen Himmelskörper angezogen, fliegt an ihm vorbei, umkreist ihn oder stürzt ab. Es ist völlig selbstverständlich, dass die Kinder ihre Eigenschaften von den Eltern erben, mit einem gewissen Spielraum. Aus einem Hühnerei kann kein Fuchswelpe schlüpfen. Woher kommen die Naturgesetze? Die sind wie die Gene Programme, nach denen die Welt funktioniert. Für die menschlichen Gesetze ist der Gesetzgeber zuständig und für Programme der Veranstalter oder Programmierer. Was ist das anderes als Absicht oder "Schöpfung"?

Als ich mal einen Kundendienst bat nach meinem Computer zu sehen, rückte er mit dem Werkzeugkasten an. Aber es war kein mechanischer Fehler in der Hardware, den man mit Werkzeugen reparieren hätte können, sondern ein Fehler im Programm oder der Software. So kann man auch die Welt nicht verstehen, wenn man von Programm und Schöpfung nichts wissen will.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner