Monatsspruch Januar 2016

6 Aus diesem Grund erinnere ich dich daran, dass du erweckest die Gabe Gottes, die in dir ist durch die Auflegung meiner Hände. 7 Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. 8 Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern leide mit mir für das Evangelium in der Kraft Gottes. (1. Timotheus 1,7)

Lieber Bruder Paulus,

danke für Ihre aufmunternden Worte. Kraft, Liebe und Besonnenheit brauchen wir heute nötiger denn je, in einer Zeit, in der die Angst umgeht, in der wir als Christen nichts mehr zu sagen haben und kaum noch den Mund aufzumachen wagen, in der jeder nur noch sich selbst kennt und in der wir leicht in Panik geraten und übereilt und unvernünftig handeln. Wahrscheinlich war das zu Ihrer Zeit auch nicht anders.

Sie ermahnen Ihren Mitarbeiter Timotheus, sich nicht "des Zeugnisses von unserm Herrn" zu schämen. Davon zu reden war ja seine Aufgabe. Die Gemeinde hat es erwartet, dass er jeden Sonntag predigte. Und mancher hat heimlich gezählt, wie oft er "Herr Jesus" sagte, "Sünde", "sein Blut", "bekehrt". Wenn diese Stichworte nicht genügend oft genannt wurden, und wenn er nicht über die Sünden der Ungläubigen gewettert hatte, war's keine gute Predigt. Bruder Timotheus hätte sich nicht zu schämen brauchen, wenn er gesagt hätte, was die Leute hören wollten.

Warum aber haben Sie ihm das geschrieben? Weil das "Zeugnis von unserm Herrn" unbequem ist. Unser Herr nahm das Kreuz auf sich und ging sehenden Auges in den Tod. Sie, verehrter Bruder, haben es ihm gleich getan, wurden wer weiß wie oft fortgejagt, eingesperrt und misshandelt und schließlich enthauptet. Der bequemere Weg wäre gewesen den Mund zu halten oder nur nichtssagende fromme Phrasen zu dreschen. Sie schreiben ja auch, dass Timotheus sich Ihrer, des Gefangenen, "nicht schämen" soll.

Sie erinnern ihn an seine Ordination. Sie haben ihn zum Prediger eingesetzt, indem sie ihm "die Hände auflegten" und um den Beistand des guten Geistes Gottes beteten. So ist das heute noch. Zum Prediger, Seelsorger, Lehrer, Gemeindeleiter und anderen Diensten muss man ausgebildet und offiziell beauftragt sein. Und das ist gut so. Denn was man tut, muss man nicht nur wollen, sondern auch können.

"Moment mal!" Ja ich weiß, bei Ihnen war es anders. Man hat Ihnen vorgeworfen, Sie seien kein richtiger Apostel, nicht amtlich mit diesem Dienst beauftragt. Und Sie waren sogar stolz darauf, dass Sie von keiner menschlichen Autorität abhängig waren, sondern Ihren Auftrag direkt von unserm Herrn bekamen. Beides gehört doch zusammen, die innere Berufung und die amtliche Beauftragung. Ohne innere Berufung kann man sein Amt nur mehr oder weniger gut und erfolgreich "verwalten", aber ohne Ausbildung und Beauftragung würde man im Übereifer des Guten zu viel und Falsches tun.

Von daher ergeben Ihre Worte "Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit" einen überraschenden neuen Sinn:

Innere Kraft brauchte ich zum Predigen und Andachten schreiben. Ich war nach jedem Gottesdienst erst mal erschöpft. Man kann sich nicht hinstellen, mit beiden Händen am Buch festhalten und sein Programm runter rattern. Die Vorbereitung ist nur der kleinere Teil der Arbeit. Der größere ist sich selber einbringen, und das zehrt an den Kräften. Jetzt bitte nicht wieder "Moment mal!", denn der Heilige Geist liefert nur die Gedanken. Die Energie muss mein Körper aufbringen.

Liebe sollte ja die Triebfeder all unsres Handelns sein. Aber auch die Wahrheit. Die Kunst, Wahrheit mit Liebe zu sagen liegt wenigstens mir nicht im Blut, ich musste das mühsam und in einem harten Kampf mit mir selber lernen - und viel zu oft versage ich in dieser Hinsicht auch heute noch.

Besonnenheit ist ganz wichtig, wenn die Wellen hoch schlagen. Wir neigen dazu, uns von Panikmachern anstecken zu lassen: Umwelt, Atombomben, Atomkraft, globale Erwärmung, Schuldenkrise, Flüchtlinge, Islamisten… Die Liste der Bedrohungen ist lang und die Gefahr einer übereilten Reaktion groß. Da brauchen wir kühle Köpfe, auch in der Kirche und im CVJM.

Herzliche Grüße von unsrer finsteren Erde zu Ihnen im lichten Himmel

Ihr Heinrich Tischner