Monatsspruch April 2017

Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden. (Lukas 24,5)

Liebe Leserin, lieber Leser,

ein Kontrast wie aus dem Bilderbuch: strahlender Sonnenschein des Ostermorgens - Nacht der Grabhöhle. Frauen in Schwarz vermissen den Toten - Männer in Weiß bezeugen den Lebendigen.

Die Frauen wollten nachholen, was wegen des Sabbats nicht möglich war: den geschundenen Leib des Gekreuzigten würdig herrichten. Aber sie suchten ihn an der falschen Stelle: Jesus war zwar nicht mehr unter den Lebendigen. Aber auch nicht mehr bei den Toten. Wo sonst? Da, wo er hingehört, bei Gott - und unsichtbar unter uns.

Das zeigt die breit ausgeführte Fortsetzung in der Emmausgeschichte (Lukas 24,13-35): Zwei Jünger gehen von Jerusalem in das benachbarte Emmaus und reden über die schrecklichen Ereignisse der letzten Tage. Dabei wird ihnen klar: Das musste alles so kommen, das steht schon im Alten Testament und hat der Meister vorausgesagt. Sie kommen nach Hause, setzen sich an den Abendbrottisch und sprechen das Tischgebet: "Gepriesen seist du, Herr unser König, Schöpfer der Welt, der du das Brot von der Erde hast aufgehen lassen." Moment mal, hatte das nicht auch der Meister am Donnerstagabend gebetet? ("Er nahm das Brot, dankte…"). Da gingen ihnen die Augen auf und sie merkten, dass Jesus die ganze Zeit bei ihnen gewesen war: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." (Matthäus 18,20) Lukas verdeutlicht das, indem er erzählt, Jesus sei leibhaftig mit ihnen gegangen, ohne dass sie ihn erkannten. Das ist nur ein Bild für die unsichtbare, aber spürbare Gegenwart Christi. Spürbar, denn "brannte nicht unser Herz…?"

Dieses "Brennen des Herzens", das lebhafte Interesse, die Begeisterung für den Herrn Jesus, wird an anderen Bibelstellen "Tröster" oder "heiliger Geist" genannt. "Auferstehung, unsichtbare Gegenwart, Begeisterung, Geist, Tröster" sind alles Versuche, das auszudrücken, was die ersten Christen empfanden und was wir heute noch erleben können.

Ich schreibe das auf den Tag genau 60 Jahre, nachdem ich einem inneren Ruf gefolgt bin und mich entschieden habe, mein Leben mit Jesus zu führen. Ich verspüre dieses innere Feuer noch heute, indem ich das schreibe. Jesus hat mich nicht enttäuscht, er hat mich durch Dick und Dünn begleitet, mich auch im tiefsten Leid nicht allein gelassen und sich als mein Arbeitgeber nicht lumpen lassen.

Ich feiere heute mein 60-jähriges und unsre Kirche feiert ein ganzes Jahr lang das 500-jährige Reformationsjubiläum. Jubiläen, Feiern, Feiertage, Bücher, Denkmale halten Erinnerungen an wichtige Ereignisse fest und frischen sie auf. Jede Generation muss sie neu lernen und sich damit auseinandersetzen. Die Vergangenheit wird immer länger und die Denkmale werden immer mehr. Bald leben wir in einem Museum. Suchen auch wir den Lebendigen bei den Toten? Wichtig ist doch, dass Jesus in uns persönlich lebendig wird und bleibt, dass sein Geist in unsren Kirchen, Gemeinschaften und Gruppen wirksam wird, der tröstet und Kraft gibt, aber auch mahnt und kritisiert und Wege in die Zukunft weist. Wir können aus der Rückschau Vorsicht lernen. Aber unser Weg liegt nicht hinter uns, sondern vor uns. Das Bild, dass wir Jesus nachfolgen, macht's deutlich. Der Lebendige geht uns voran und wir hinterher.

Zwei Monate nach meiner Entscheidung wurde ich konfirmiert. Ich wurde gebeten, am Grab eines Alterskameraden einen Kranz niederzulegen. Da hielt ich meine erste, sehr unbeholfene Predigt. Zwei Sätze weiß ich noch: "Folgt Christo nach. Er ist der einzige Weg zum ewigen Leben."

Mehr habe ich eigentlich auch heute nicht zu sagen.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner