Monatsspruch August 2021

Ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. ich will heben und tragen und erretten. (Jesaja 46,4)

Liebe Anna,

zu deinem Geburtstag wünschen wir dir von Herzen Gottes Segen, Gesundheit, Freude und Zufriedenheit.

"Wir sind nicht mehr die Jüngsten", müssen auch wir jetzt sagen, und: "Jeder hat sein Päckchen zu tragen", jetzt besonders die zunehmende Last des Alters, auch wenn wir schon längst außer Dienst gestellt sind und zu nichts mehr zu gebrauchen. Denn auch das ist eine Last, dass wir nicht mehr müssen, oder andersrum: nichts mehr dürfen, empfinde ich jedenfalls, und auch manches nicht mehr können.

Mir kam dazu Jesaja 46,3-4 in den Sinn: "Hört mir zu, ihr vom Hause Jakob und alle, die ihr noch übrig seid vom Hause Israel, die ihr von mir getragen werdet von Mutterleibe an und vom Mutterschoße an mir aufgeladen seid: Auch bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten." So war's doch: Wir haben Kinder getragen, du unterm Herzen, später auf dem Arm, auf den Schultern, auf dem Rücken, wir haben Verantwortung getragen auch für Kinder anderer Menschen und für andere Menschen - und sind selbst als Kinder getragen worden.

Ich kann mich noch entsinnen, da musste ich mit Oma durch Wiesen, die unter Wasser standen. Da nahm mich Oma auf den Rücken und trug mich durch die Fluten. Es waren ja nur ein paar Zentimeter, aber mir kommt das in der Erinnerung vor wie beim heiligen Christophorus: Da ist jemand, der mich trägt.

Jesaja schreibt in den vorangehenden Versen: "Bel bricht zusammen, Nebo ist gefallen, ihre Götzenbilder sind den Tieren und dem Vieh aufgeladen, dass sie sich müde tragen an dem, was eure Last war. Ja, sie können die Last nicht wegbringen. Die Götzen sind gefallen und alle zusammengebrochen und müssen in die Gefangenschaft gehen."

Die Babylonier hatten die Tempelschätze von Jerusalem geraubt und die Juden nach Mesopotamien verschleppt. Und so, prophezeit Jesaja, wird es auch den Babyloniern ergehen. Worauf sie sich verlassen hatten, ihre Götter, werden ihnen nicht helfen können.

Es ist leicht über andere lästern und ihnen den Untergang wünschen. Aber wie war's denn den Juden damals ergangen? Auch ihr Gott hatte ihnen nicht geholfen. Und manche fragen heute immer noch: "Wie kann man nach Auschwitz an Gott glauben?" In meiner Lehrgemeinde in Wiesbaden lernte ich einen frommen Katholiken kennen, aus frommem Elternhaus, der musste als Kind nach dem Gottesdienst zu Hause über die Predigt berichten. Er war daher mit dem Glauben vertraut. Als Erwachsener war er von den Nazis gefoltert, ja gekreuzigt worden und sagte: "In diesem Augenblick ist mir der Glaube vom Kopf ins Herz gerutscht." Geht doch!

"Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten." Das durfte ich in meinem Leben oft erfahren und du hoffentlich auch. Gerade in schwierigen Situationen: Da ist einer der mich zwar nicht schont, aber bewahrt und durchträgt. Ich wünsche dir, dass du das auch künftig erfahren kannst.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner