Weißrussische Impressionen

Inga, Gerrit und ich waren vom 23.08.2002 bis zum 30.08.2002 in Weißrussland gewesen. In diesem Artikel möchte ich aber weder einen Reisebericht abgeben, der detailliert beschreibt, was wir wann wo gemacht haben, noch soll er ein Reiseführer für Weißrussland sein, der die weißrussischen Sehenswürdigkeiten und die Lebensart beschreibt. Dazu war ich zu kurz und örtlich zu begrenzt dort. Außerdem gibt es schon genug weißrussische Reiseführer, na ja, mindestens einen.

Dieser Artikel soll vielmehr in mehreren Kapiteln meine ganz persönlichen Eindrücke von Weißrussland wiedergeben.

Reisevorbereitungen

Auf eine Reise in eine so unbekannte Welt wie Weißrussland bereitet man sich am besten gut vor. So habe ich schon Anfang des Jahres einen neuen Reisepass für das Visum beantragt und mir etwas später auch den besagten Reiseführer besorgt. Darin steht unter anderem, dass die Währung der Weißrussische Rubel ist, der weder ein- noch ausgeführt werden darf. Das bedeutet auch, dass das Geld vollständig in Weißrussland getauscht werden muss. Der Wechselkurs wird im Reiseführer aber nicht mit angegeben. So begebe ich mich ins Internet, um den Wechselkurs zu ermitteln. Meine Recherche bleibt leider erfolglos.

Bei der Sparkasse hole ich mir Euro für die Reise in kleinen nicht nummerierten Scheinen. Bei dieser Gelegenheit frage ich auch nach dem Wechselkurs von Euro in weißrussische Rubel. "Der Wechselkurs von Euro in Rubel? Da muss ich nachfragen." "Nicht Rubel, weißrussische Rubel!" Die Bankangestellte verschwindet und kehrt nach mehreren Minuten zurück. Sie teilt mir mit, dass sie in der Zentralkasse angerufen habe, ihr dort aber auch keiner einen Wechselkurs mitteilen konnte, da die Währung international nicht gehandelt würde. Ich könne aber noch die Hessische Landeszentralbank anrufen. Das habe ich mir gespart. Ich würde es ja in Weißrussland erfahren.

Gerrit hat in der Zwischenzeit das Visum beantragt, vorsichtshalber schon vom 21. August an, damit es auf jeden Fall rechtzeitig da ist, und die Bahnfahrkarten und die Platzreservierungen für die Hinfahrt besorgt. Reservierungen für die Rückfahrt sind leider nicht zu bekommen, weil die Deutsche Bahn nicht in den Computer der Weißrussischen Bahn hineinkommt. Die Plätze für die Rückfahrt müssen wir also in Weißrussland reservieren.

Nach verschiedenen Telefonaten mit der Weißrussischen Botschaft in Bonn treffen die Visa rechtzeitig am Freitagmorgen, dem 23. August, bei Gerrit ein.

Freitag Abend treffen wir uns in Darmstadt auf dem Bahnhof.

Die Anreise

Die Bahnfahrt von Darmstadt nach Weißrussland führt am Einfachsten mit dem ICE nach Hannover und von dort aus mit einem Polnisch-Weißrussisch-Russischen Schlafwagenzug über Berlin und Warschau nach Weißrussland.

Abfahrt ist gegen 20:00 Uhr in Darmstadt, Umsteigen gegen 22:00 Uhr in Hannover und Ankunft am nächsten Tag gegen 22:00 Uhr in Minsk. Unterwegs findet irgendwann in der Nacht die deutsch-polnische Grenzkontrolle statt. Am nächsten Tag hat man dann ausreichend Zeit, die weißrussische Zollerklärung auszufüllen, die in den Abteilen ausliegt. Gerrit hatte glücklicherweise eine deutsche Übersetzung dabei. Kurz vor der weißrussischen Grenze hält der Zug ungefähr eine Stunde, in der die polnisch-weißrussische Grenzkontrolle durchgeführt wird. Die Pässe und Visa werden überprüft und die Zollerklärungen eingesammelt.

BrestAnschließend geht die Fahrt weiter ins weißrussische Brest, wo die Spurbreite der Waggons innerhalb von drei Stunden auf die russischen Gleise angepasst wird. Dazu werden die Wagen in eine Halle gefahren und voneinander abgekoppelt. Anschließend wird das Fahrgestell von den Waggons abgeschraubt und die Wagen werden angehoben. Nun kann das mitteleuropäische Fahrgestell aus der Halle gezogen und durch ein russisches ersetzt werden. Anschließend werden die Wagen wieder abgesenkt und auf dem neuen Fahrgestell festgeschraubt. Jetzt kann die Reise weiter gehen.

In Minsk angekommen werden wir schon von Ludmilla, unserer Dolmetscherin erwartet. Sie begleitet uns auch zum Geldwechselschalter. Hier tauschen wir die ersten Euro in weißrussische Rubel. Für einen Euro bekommt man ungefähr 1800 weißrussische Rubel.

Anschließend geht es zum Bahnschalter, um die Platzreservierungen für die Rückfahrt zu erwerben. Leider sind in den weißrussischen Wagen für den gewünschten Polnisch-Weißrussisch-Russischen Zug keine Karten mehr zu bekommen (für die anderen Wagen können so einfach keine Karten reserviert werden). Wir sollen Dienstag wieder kommen. Vielleicht hat bis dahin jemand seine Karten zurück gegeben.

Anschließend geht es nach Rakov, wo wir bei Ludmilla ein Willkommensfest mit viel gutem Essen und Wein – nach unseren Wünschen, wir hätten auch Wodka bekommen können – feiern. Gegen 03:00 Uhr am Sonntag morgen sinken wir müde aufs Sofa.

Die Weißrussische Sprache

Die weißrussische Sprache ist – ähnlich wie die russische, aber doch anders – sehr verdreht. Zum einen werden einzelne Buchstaben wie Й, Э und Я spiegelverkehrt geschrieben. Noch viel schlimmer aber ist, dass viele Buchstaben eine andere Bedeutung haben: В wird W ausgesprochen, Н ist N, Р ist R, С ist S, У ist U, ycb, äh, usw.

Im Unterschied zum Weißrussischen gibt es in der russischen Schrift auch kein I, so dass dort für diesen Buchstaben И geschrieben wird.

Dazu kommen dann noch verschiedene sch-Laute, für die es bei uns gar keine eigenen Buchstaben gibt: Ш (sch), Ж (auch sch), Ч (tsch) und Щ (schtsch). So wird die Sängerin Shakira auf weißrussisch Шакіра geschrieben.

Diesen Buchstabensalat ergänzen einige griechische Buchstaben wie П und Ф.

Zur weiteren Verwirrung trägt bei, dass Ortsschilder inzwischen zum großen Teil die Beschriftungen auf weißrussisch tragen, die Bevölkerung, wie auch viele Karten aber den russischen Namen gebraucht, während auf Transitstraßen auch die lateinische Schrift verwendet wird. An der Autobahn steht so auf den Hinweisschildern die Richtung nach MINSK bzw. MIHCK, während auf der Landkarte die Stadt MИHCK verzeichnet ist. Oder der Ort Rakov, in dem Ludmilla wohnt: die Leute sprechen von Paков (russisch), auf den Ortsschildern steht aber PАКАЎ (weißrussisch). Und da soll man sich zurecht finden.

Der Ort Dory wird glücklicherweise in beiden Sprachen ДОРЫ geschrieben und gesprochen.

(Solltest du Probleme mit der Darstellung der kyrillischen Buchstaben haben, kannst du dir dieses Kapitel noch einmal als Bild ansehen (13 KB).)

Dory

KindergartenAm Sonntag Morgen treffen wir in Dory ein. Als erstes bringen wir unser Gepäck in unser Quartier für die Woche, den Kindergarten. Dieser wurde einst für 100 Kinder gebaut – es hatte wohl jemand gute Beziehungen nach Moskau –, heute wird er aber nur von 16 Kindern besucht. Es ist also viel Platz für Gäste.

So haben wir unseren eigenen Trakt mit zwei Räumen zum Essen und Schlafen. Leider funktioniert der Strom dort nicht und der Schlüssel für unsere Räume ist auch verschwunden. Doch der Schlüssel taucht bald wieder auf. Und wegen dem Strom fragt uns die Kindergartenleiterin, ob sie gleich jemanden rufen soll, der ihn repariert. Wir verzichten darauf und gehen einfach früher ins Bett. Als wir am nächsten Tag wiederkommen, haben wir auch Strom.

Weißrussland regt zum Improvisieren an. So gelingt es uns nach mehreren Versuchen mit den Einzelteilen einer Kaffeemaschine, Kaffeefiltern und einem Wasserkocher Tee aus losen Blättern zu kochen. Oder: Nachdem wir frisches Brot gekauft haben, aber keine Marmelade oder ähnliches dazu bekommen können, schmieren wir eben den restlichen mitgebrachten Jogurt aufs Brot. Auch sehr lecker.

Weißrussisches HausEin Rundgang durch Dory zeigt uns zum Einen ein typisches weißrussisches Dorf mit kleinen farbenfrohen Holzhäusern und holprigen, staubigen Straßen mit neuen Autos und alten Pferdefuhrwerken darauf. Wir sehen viele Menschen, die zu Fuß unterwegs sind, und einige auf dem Fahrrad. Gegenüber dem Kindergarten liegt ein Schwein auf einem Baugrundstück, auf der anderen Seite pflügt jemand seinen Acker mit einem Pflug, der von einem Pferd gezogen wird. Und immer wieder stehen einzelne Pferde oder Kühe angepflockt auf einer Wiese herum. Außerdem ist es dort nachts dunkel. Das liegt vor allem daran, dass ein großer Teil der Straßenlampen kein Licht von sich gibt. Was wiederum daran liegen mag, dass die Straßenlampe defekt ist, die Glühlampe fehlt oder die Laterne ausgeschaltet wurde, um Strom zu sparen.

KircheAuf der anderen Seite ist Dory Sitz der Kolchose. Es gibt große landwirtschaftliche Gebäude und große Äcker, ein Dorfgemeinschaftshaus und einen kleinen Laden für den täglichen Bedarf, eine russisch-orthodoxe Kirche, die vom CVJM-Friedensnetz mit aufgebaut wurde, und eine Schule für die Kinder aus der Umgebung.

Diese Schule wird gerade vom Freundeskreis Dory mit renoviert. So wurde z.B. das Dach isoliert und die Schulküche modernisiert. Ein Besuch in der Schule zeigt uns, dass diese Renovierungsarbeiten die Lehrer und Lehrerinnen in der Schule zu eigenen Arbeiten angeregt haben. So haben sie in den Ferien – neben dem obligatorischen Kartoffellesen für die Schule – die Klassenzimmer neu tapeziert. Und auch im Kindergarten haben die Erzieherinnen damit begonnen, die Räume neu zu streichen.

Autofahren in Weißrussland

Wer in Weißrussland autofahren möchte und kein Auto hat, hat ein Problem. Es gibt zwei Möglichkeiten trotzdem aktiv mit dem Auto unterwegs zu sein: Entweder der Wagenbesitzer sitzt mit im Auto oder ein Auto muss geliehen werden. Von beiden Möglichkeiten machen wir Gebrauch.

Da sich Ludmilla an der Hand verletzt hat, kann sie schlecht selbst Auto fahren. So fährt uns fast immer Gerrit in Weißrussland herum. Weil wir aber nicht immer Ludmillas Fahrzeug beanspruchen wollen, beabsichtigen wir, den Bus des CVJM Woloshin auszuleihen. Wir fahren also nach Woloshin zu Wladimir um uns die Fahrzeugpapiere geben zu lassen. Nichts da. Um in Weißrussland ein Auto zu leihen, benötigt man eine schriftliche, notariell beglaubigte Leihurkunde. Die kann dann aber gleich für drei Jahre ausgestellt werden. Wenn Gerrit jetzt also innerhalb der nächsten drei Jahre wieder nach Dory kommt, kann er ohne weitere Formalitäten den Bus fahren.

Die Qualität der Straßen schwankt zwischen gut ausgebauten, frisch asphaltierten Autobahnen und Wegen, die diesen Namen fast nicht verdienen. Interessant sind die Rastplätze, die sich in regelmäßigen Abständen an der Autobahn finden. Dort stehen kleine bunte Holzhütten oder Unterstände, in die man sich setzen und seinen Proviant verzehren kann. Dabei sehen diese Hütten immer wieder anders aus, nicht wie bei unseren Autobahnraststätten, die immer nach dem gleichen Schema aufgebaut sind. Auch die Hinweisschilder oder Steine, die darauf hinweisen, dass man kein Feuer machen soll wegen der Waldbrandgefahr, oder dass keine Abfälle zurückgelassen werden sollen, sind handgemalt.

Das Tanken kann allerdings zum Problem werden. So sind wir wieder einmal auf der Autobahn unterwegs, haben nicht mehr viele Weißrussische Rubel dabei und müssen unbedingt tanken. Das mit den Rubeln ist normalerweise kein Problem, da man gerade an den Tankstellen oft auch mit Euro oder Dollar bezahlen kann. Also fahren wir an der nächsten Tankstelle von der Autobahn herunter und suchen die Zapfsäule für A95, das Benzin, das der Bus tanken soll. Es gibt allerdings gerade nur Diesel. Die Tankstelle auf der anderen Straßenseite hat auch nicht mehr zu bieten. Also weiter. Die nächste Tankstelle, dieses Mal von einer anderen Gesellschaft, ist nicht weit entfernt. Es gibt sogar Benzin: A75 und A92. Aber kein A95. Was sollen wir tun? Da wir mit dem vorhandenen Tankinhalt nicht mehr weit kommen, beschließen wir, eben etwas A92 zu tanken, und dann an der nächsten Tankstelle das richtige Benzin zu tanken. An der nächsten Tankstelle einige Kilometer weiter, schon abseits der Autobahn, werden wir fündig: A95. Doch dummerweise nimmt die Tankstelle keine Euro. Auch der Versuch unsere Euro bei einem LKW-Fahrer in Weißrussische Rubel zu tauschen, scheitert. Es bleibt uns also nichts weiter übrig, als mit dem falschen Benzin noch viele Kilometer weiter zu fahren. Aber der Bus hat es überstanden. Ach übrigens, in Weißrussland bezahlt man die gewünschte Menge Benzin, bevor man tankt.

Da in Weißrussland für den Autofahrer absolutes Alkoholverbot gilt, komme ich in den Genuss, nach einer Feier den Bus bei Nacht zu fahren. Aus Mangel an funktionierenden Straßenlampen ist es in den Ortschaften oftmals sehr dunkel. Dabei sind auch noch einige unbeleuchtete Radfahrer und Fußgänger unterwegs. Und wenn dann, wie in unserem Fall, das Abblendlicht gerade mal die nächsten fünf Meter beleuchtet, ist das Autofahren eine spannende Sache. Ich bin dann allerdings dazu übergegangen, die ganze Zeit mit Fernlicht zu fahren, um ohne Schaden bis zu unserem Ziel zu kommen.

Geschichte

Weißrussland wurde im Laufe seiner Geschichte immer wieder zwischen Polen, Litauen und Russland hin und her geschoben. Da ist es kein Wunder, dass die verschiedenen Herrscher und Fürsten auf ihrem Land Burgen und Schlösser bauten, um ihre Macht zu demonstrieren und zu erhalten.

Wir besuchen ein Schloss mit großen Parkanlangen, das die Fürsten-Familie Radziwiłł vom 16. bis 19. Jahrhundert bei Njasviž anlegen ließ.

MirSehr beeindruckend ist auch das Wehrschloss in Mir, das im 16. und 17. Jahrhundert im Stil der weißrussischen Steingotik errichtet wurde und zur Zeit mit UNESCO-Geldern renoviert wird. Als wir dort sind, werden gerade die Außenanlagen hergerichtet. Dies mag damit zusammenhängen, dass der weißrussische Präsident Lukaschenko einige Tage später zu Besuch erwartet wird. Aus diesem Grund wird wohl auch der gesamte Ort Mir mit einem neuen Straßenbelag und mit neuen Gartenzäunen versehen.

1919 wurde das zwischenzeitlich auch ab und zu einmal unabhängige Weißrussland in die UdSSR eingegliedert. Viele sowjetische Denkmäler erinnern später an den großen Vaterländischen Krieg, der bei uns der 2. Weltkrieg genannt wird. So wurde in der Nähe von Minsk ein 70 Meter hoher Hügel errichtet, auf dem ein Denkmal zu Ehren der sowjetischen Armee steht. Es wird erzählt, dass auch Fidel Castro auf einem Freundschaftsbesuch dieses Ehrenmal besuchen musste. Es war Winter. Nach dem mühevollen Aufstieg wollte er den Abstieg vermeiden, setzte sich einfach auf seinen Hintern und rutschte wieder hinunter.

ChatynWeißrussland hatte unter dem 2. Weltkrieg besonders zu leiden. In Chatyn befindet sich ein Friedhof für die gestorbenen Dörfer. Nachdem Partisanen in der Nähe von Chatyn einen deutschen Offizier erschossen hatten, trieben die Deutschen die Dorfbewohner in einem Haus zusammen und zündeten es samt den anderen Häusern im Dorf an. Nur der Schmied und drei Kinder überlebten das Massaker. Die Gedenkstätte umfasst das Gelände des früheren Dorfes, wobei an der Stelle jedes Hauses ein Kamin aus Beton gestellt wurde, an dem die Namen der ehemaligen Hausbewohner stehen. Außerdem gibt es dort ein Grab für jedes der fast 200 Dörfer, die so vernichtet und nicht wieder aufgebaut wurden, eine Gedenktafel für die Orte, die wieder errichtet wurden und eine Gedenkwand, mit den Totenzahlen der weißrussischen Städte. Auf einem Quadrat stehen drei Birken – wohl der weißrussische Nationalbaum – und ein Ewiges Licht, da ein Viertel aller Weißrussen im 2. Weltkrieg ums Leben kamen.

Ein ähnliches Schicksal wie Chatyn erlebte auch Dory. Die Dorfbewohner wurden in die Kirche gesperrt und die Kirche wurde anschließend angezündet. Allerdings blieben die Häuser in Dory wohl stehen.

Im April 1986 wurde die ukrainische Stadt Tschernobyl durch den Atomreaktorunfall weltbekannt. Die Folgen sind auch heute noch in ganz Weißrussland immer wieder festzustellen. So stehen an einigen Wäldern Hinweisschilder, dass die Pilze nur nach vorheriger Prüfung mit einem Messgerät gegessen werden dürfen (aber wer hat schon einen Geigerzähler oder ähnliches?). Schulen, die – wie die Schule in Dory – auf verstrahltem Gebiet liegen, bekommen mehr Geld für das Schulessen. Außerdem dürfen die Kinder, die im verstrahlten Gebiet leben, einen Monat im Jahr ins Sanatorium. Dory liegt im Grenzbereich zwischen verstrahltem und „unverstrahltem“ Gebiet. Das hat zur Folge, dass Kinder, die einen Ort weiter wohnen, nicht mit ins Sanatorium können, obwohl sie sich die meiste Zeit des Tages in Dory in der Schule aufhalten.

Seit 1991 ist Weißrussland wieder einmal unabhängig und Minsk seine Hauptstadt.

MinskEin Besuch am Dienstag in Minsk führt uns zuerst zu einem Bahnfahrkartenverkaufsschalter, um die fehlenden Platzreservierungen für die Rückfahrt zu organisieren. Es gibt aber immer noch keine Platzkarten für den gewünschten Zug. Allerdings fährt in der Nacht vorher um 00:45 Uhr noch ein Zug von Moskau über Minsk nach Warschau, für den aber zur Zeit auch keine Platzkarten zu bekommen sind. Wenn wir aber zwei bis drei Stunden vor Abfahrt des Zuges am Bahnhof wären, sei auch klar, ob wir Karten bekommen könnten. So hätten wir zwei Chancen auf eine Rückfahrt. Na ja, unser Visum gilt sowieso nur noch bis zum 03.09., so dass wir spätestens dann aus Weißrussland hinausgeworfen würden.

MinskAnschließend besuchen wir die Komarowka, die riesige Minsker Markthalle. Dort werden alle Arten von Fleisch und Wurst – bis hin zum Schweinekopf –, frischer Käse, Süßigkeiten, Obst, Gemüse, Fisch und vieles mehr verkauft. Außerdem sehen wir den Palast der Republik, eine große russisch-orthodoxe Kirche, ein paar Häuser, die der zweite Weltkrieg verschont hat (man könnte auch von der Minsker Altstadt sprechen), ein Denkmal für die weißrussischen Gefallenen im Afghanistankrieg und das Minsker Kaufhaus.

Essen & Trinken

Mittwoch Abend, 20:00 Uhr: Wir sind bei Vera, der Schulleiterin, zum Abendessen eingeladen. Es gibt verschiedene Vorspeisen, wie Hähnchenschenkel, Salate, Fisch, Brot und ähnliches, die gut satt machen. Zum Trinken wird immer wieder Wodka nachgeschenkt, wobei man auch „Partisanenwodka“ (selbst gebrannten) bekommen kann. Nur Autofahrer und Kinder bekommen keinen. Zu jeder Tischrede ist dann das Glas zu leeren oder wenigstens daran zu nippen. Außerdem kann man sich auch Wasser nehmen. Wenn man dann gut satt ist, wird die Hauptspeise, Frikadellen und Kartoffeln, aufgetragen. Anschließend gibt es eine Runde Tee oder Kaffee und zum Abschluss noch Kuchen.

Donnerstag Morgen, gegen 09:00 Uhr: Frühstück im Kindergarten. Wir verspeisen Brot und Honig, die wir in Woloshin im Laden gekauft haben, und Wurst und Käse vom Minsker Markt. Dazu gibt es Tee aus der selbstgebauten Teemaschine.

Donnerstag Mittag, 12:00 Uhr: Nach der Schulbesichtigung sitzen wir mit der stellvertretenden Schulleiterin in einem Klassenzimmer bei Tee und Plätzchen zusammen.

Donnerstag Nachmittag, 16:00 Uhr: Nachdem wir unsere Sachen gepackt und die Räume im Kindergarten geräumt haben, setzen wir uns noch kurz ins Büro von Jadwiga, der Kindergartenleiterin. Glücklicherweise gibt es nichts zu essen.

Donnerstag Nachmittag, 17:00 Uhr: Gestern Abend haben wir Galina, die Gerrit von früheren Besuchen kennt, unterwegs mit dem Auto aufgelesen und nach Hause gebracht. Sie hat uns zum Abendessen eingeladen. Es gibt Brot, Kekse, Marmelade, Wurst und Käse, sowie Tee und Wodka.

Donnerstag Abend, 19:00 Uhr: Wir sind zum Abschluss unserer Reise bei Ludmilla zum Шашлік (Schaschlik)-Essen eingeladen. Dazu gibt es einen speziellen rechteckigen Schaschlikgrill, der verschiedene Schlitze hat, in die sich die Schaschlikspieße einlegen lassen.

Donnerstag Abend, 22:00 Uhr: Gut gesättigt treten wir die Heimreise an.

Rückkehr

Am Donnerstag Abend gegen 23:00 Uhr stehen wir wieder auf dem Bahnhof. Bekommen wir nun Platzkarten für den Zug in dieser Nacht oder wie geplant für den am nächsten Morgen? Ludmilla verhandelt mit der Frau hinter dem Schalter. Für den Zug heute Nacht, der ja in Moskau inzwischen losgefahren ist, können wir noch Karten bekommen. Er fährt aber nur bis Warschau. Für den nächsten, bis Hannover durchfahrenden Zug gibt es noch keine Auskunft. Wir beschließen mit dem Nachtzug nach Warschau zu fahren. Der Versuch, Platzkarten für einen Zug von Warschau nach Berlin zu reservieren, schlägt leider fehl, weil der Computer nicht in das System der polnischen Bahn kommt.

Um 00:45 Uhr verabschieden wir uns von Ludmilla und steigen in den Zug. Das polnische Abteil ist leider nicht so komfortabel wie das weißrussische auf der Herfahrt. Nachdem wir unser Gepäck verstaut haben, müssen wir als erstes die Zollerklärung ausfüllen, da wir irgendwann in der Nacht die Grenze passieren werden. Dummerweise findet Gerrit die deutsche Übersetzung nicht mehr, so dass wir aus der Erinnerung und mit Gerrits Russischkenntnissen versuchen, alle Einträge richtig vorzunehmen.

Mitten in der Nacht passieren wir dann ohne Probleme – abgesehen von den drei Stunden Zugumbau und der Stunde Grenzkontrolle – die weißrussisch-polnische Grenze. Nach vielen weiteren Stunden im Zug erreichen wir den Warschauer Zentralbahnhof. Jetzt gilt es schnell eine neue Sitzplatzreservierung zu organisieren, damit wir am besten schon mit dem Zug in einer Stunde weiter nach Berlin fahren können. Nach einigem Suchen finden wir den Schalter für den internationalen Zugverkehr etwas versteckt im Obergeschoss des Bahnhofs. Wir erhalten dank Ingas Englischkenntnissen auch die gewünschten Sitzkarten.

So passieren wir einige Stunden später die polnisch-deutsche Grenze bei Frankfurt/Oder und erreichen wieder ein paar Stunden später Berlin-Ostbahnhof. Dort fährt dann auch in Kürze der Frankfurt-Sprinter ab, ein ICE, der uns nur mit Zwischenstopp in Berlin-Zoo und Frankfurt-Hbf nach Darmstadt bringt. So treffen wir am Freitag Abend um 21:24 Uhr pünktlich in Darmstadt ein, wo Inga und Gerrit den Darmstadt-Sprinter machen wollen, um den letzten Bus nach Hause zu erreichen. Bedauerlicherweise öffnet sich nach der Ankunft die Zugtür nicht, weil der Zugführer die Türverriegelung nicht freigibt. Auch die Zurufe von hinten, wir sollen doch bitte den grünen Knopf drücken, helfen nicht weiter. Als dann der Zugführer ein Einsehen mit uns hat und die Türen öffnet, springen Inga und Gerrit heraus, schultern ihr Gepäck und sprinten zum Bus, den sie gerade noch erreichen. Ich trete gemütlich auf den Bahnsteig, wo Dominik schon wartet, um mich nach Hause zu fahren.

Clemens Tischner