Wer vom Mönchhofdreieck nach Norden in Richtung Köln fährt, kommt nach dem Rasthof Medenbach und den Abfahrten Niedernhausen und Idstein nach Bad Camberg (im Taunus). Hier fährt man ab, unterquert die Autobahn und erreicht schon nach etwa 5 km den kleinen Ort Gnadenthal (Richtung Hünfelden).
In Gnadenthal wurde vor über 800 Jahren ein Zisterzienser-Kloster gegründet, das aber im 30jährigen Krieg völlig zerstört und danach aufgegeben wurde. Das Klostergut fiel an den Staat, der es in fünf Bauernhöfe aufteilte. Mehr als 300 Jahre später, im Jahre 1969, kam die Jesus-Bruderschaft von Ostfriesland nach Gnadenthal, baute in Ortsnähe ein Brüderhaus, ein Haus der Stille und wenig später auch ein Schwesternhaus. Dann begann die Restaurierung im Ortskern mit Klosterkirche (massiver, relativ kleiner Kirchenbau mit Dachreiter und kleiner Glocke) und Äbtissinnenhaus (sehenswertes, sehr schön restauriertes Fachwerkgebäude neben der Kirche). Inzwischen ist beinahe der ganze Ort vom Klosterleben gestaltet.
Alexander und ich waren - als Rest des Erwachsenenkreises - am 19. 0ktober dort zum Gottesdienst. Vom Odenwald aus ist es sonntagmorgens nur eine gute Stunde bis Gnadenthal. Nach einem kurzen Rundgang (Brüderhaus, Friedhof) gingen wir in die Kirche und fanden gerade noch einen Platz. Die Letzten mussten stehen! Der weißgetünchte Kirchenraum mit der alten (?) Holzbalkendecke und dem leuchtend roten Altarbild fasst etwa 100 Personen, rechts und links vom Altar nahmen etwa 20 Brüder und Schwestern in hellen Gewändern Platz. Die Gemeinde stammte teils aus Gnadenthal, teils waren es Gäste und Freizeitbesucher mit einer großen Kinderschar, die vor der Predigt zum Kindergottesdienst auszog.
Zur Bruder- und Schwesternschaft gehören Mitglieder aus verschiedenen Kirchen und Konfessionen, und weil wohl an diesem Wochenende viele katholische Freizeitteilnehmer im Ort waren, wurde eine katholische Messe gefeiert mit einer Predigt eines pensionierten Frankfurter Jesuitenpaters. Er predigte über den Wunsch von Jakobus und Johannes, in Gottes Herrlichkeit neben Jesus sitzen zu dürfen (Markus 10, Verse 35 - 45): Es ist wichtig, dass wir im Gebet unsere Wünsche ganz klar und deutlich Jesus mitteilen. Jesus blockt das nicht ab, er ist offen dafür. Aber wir sollten auch offen sein für Jesu Antwort, wir sollten offen sein dafür, von Jesus etwas zu empfangen, und Jesus fordert seine Jünger auf zu dienen, unser Leben für andere einzusetzen!
Er beschrieb ein Bild eines Zusammentreffens des früheren Leiters seines Ordens, den er sehr verehrte, der aber die letzten 10 Jahre seines Lebens im Rollstuhl sitzen musste (Schlaganfall) und immer weniger sprechen konnte, mit Mutter Theresa, die gerade heute in Rom selig gesprochen wurde. Sein Prior saß gelähmt im Rollstuhl. Er konnte nichts mehr tun, aber er hatte die Hände geöffnet, er war empfangsbereit. Mutter Theresa strahlte die Liebe Gottes aus, bereit ihm zu dienen.
Was war das Beeindruckendste an dieser Messe? Für Alexander war es eindeutig der Gesang. Die Brüder und Schwestern sangen mehrstimmig vor, und die große Gemeinde fiel ein. (Viele in Gnadenthal entstandene Lieder stehen in unseren CVJM-Liederbüchern, einzelne auch im Gesangbuch.) Aber es gab auch zahlreiche andere Einzelheiten, die den Gottesdienst ausschmückten und bereicherten und auch in unseren Gottesdiensten Platz hätten, wie zum Beispiel der Friedensgruß der Gemeindeglieder untereinander, die Bitte um Segen für Papst und Bischof (in Ueberau zu übertragen auf Kirchenpräsident, Propst und Dekan), ein Liedvers mit der Bitte um Erhörung zwischen den Bitten des Fürbittengebets, der feierliche Auszug der Brüder und Schwestern nach einer stillen Verbeugung vor dem Altar und die vielen Gesprächsgruppen nach dem Gottesdienst auf dem Dorfplatz vor der Kirche.
Wir besuchten anschließend noch Ausstellung und Verkaufsraum des Präsenzverlages (Bilder, Bücher, Karten, CDs), die sonntags eine Stunde geöffnet sind. In der Woche (dienstag- bis freitagnachmittags und samstagvormittags) gibt es auch ökologisch erzeugte Produkte im Ort zu kaufen. Nach einem reichhaltigen, preiswerten Mittagessen im Nachbarort Dauborn waren wir gegen 14.30 Uhr in Ueberau.
Gustav Langenbruch