Liebe Leserin, lieber Leser,
"Wie ein Fest nach langer Trauer…, so ist Versöhnung, so muss der wahre Friede sein, so ist Vergeben und Verzeihn." Was haben das die Kinder bei der Feriengemeinschaft so gern gesungen! Es hat einem richtig mitgerissen, dieses Lied, und ging einem durch und durch.
Aber singen ist das Eine, ins Leben umsetzen das Andere und viel, viel schwerer. Können wir das auch singen, wenn uns der blanke Hass entgegenschlägt? Wenn uns jemand vorsätzlich und absichtlich wehtut, vielleicht noch mit der Ausrede "Ich mein's ja doch bloß gut"?
Versöhnen, wie geht denn das? Frieden finden, aber wo? Nicht nur vergeben, sondern auch vergessen? In solchen Situationen haben mir immer wieder folgende Überlegungen geholfen:
Kann denn Geschehenes ungeschehen gemacht werden? Das scheint gegen Vernunft und Erfahrung zu sein. Und doch: Am Computer lassen sich Fehler spurlos beseitigen und mühelos verbessern. Im tatsächlichen Leben haben die meisten Fehler keine Folgen. Wenn Worte töten könnten, würde wahrscheinlich niemand mehr leben. Meist ärgern wir uns nur und vergessen's wieder. Wir stecken auch Schläge und Schlimmeres ein, ohne dass es uns schadet.
Unser Problem ist eigentlich nicht, dass andere Menschen böse zu uns sind, sondern dass wir nicht das Format haben, das zu ignorieren. Ein kleiner Hund kann sich furchtbar aufregen, wenn er einen großen trifft. Den großen lässt das kalt. Erst recht braucht sich ein Elefant nicht um den kleinen Kläffer zu kümmern. Der große Hund und der noch größere Elefant haben Format. Sie können "vergeben". Format, den Frieden Gottes, brauchen auch wir, um vergeben und uns versöhnen zu können.
Ich weiß nicht, wie Jesus das gemacht hat, uns durch seinen Tod mit Gott zu versöhnen. Frühere Generationen hatten ihre Erklärungen, die vielen heute nicht mehr einleuchten. Aber nehmen wir ihn doch einfach beim Wort: Versöhnung, Frieden finden ist möglich – mit den anderen, mit uns selbst, mit Gott.
Mit freundlichen Grüßen
H. Tischner