Monatsspruch Juli 2007

Jesus Christus spricht: Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. (Matthäus 5,16)

Liebe Leserin, lieber Leser,

vor langer Zeit las ich eine erfundene Geschichte von einem Mann, der einigen namhaften Künstlern ins Gewissen redete. Goethe verzichtete daraufhin, den "Faust" zu schreiben, Beethoven komponierte nicht die "Neunte" und C. D. Friedrich warf die angefangenen "Kreidefelsen" auf den Müll. Schade drum!

Ein blödes Buch, aber ich denke immer wieder drüber nach. Wäre es nicht besser, wir wären weniger fleißig? Wozu brauchen wir all das Zeug, das heute produziert wird? Es gibt genug funktionsfähige Rasierapparate, Spargelschäler, Korkenzieher. Wozu muss man immer wieder neue erfinden? Wir haben genug schöne, passende und ganze Kleidungsstücke im Schrank. Warum müssen wir schon wieder neue kaufen? Es gibt Unmassen von Filmen, die wir bestimmt noch nicht gesehen haben. Und trotzdem werden immer wieder neue gedreht. Es gibt eine unübersehbare Fülle von Predigten und Andachten. Und trotzdem tippe ich jeden Monat eine neue, extra für den CVJM Reinheim.

Wäre unser Leben nicht einfacher und übersichtlicher und hätten wir nicht mehr Zeit für einander, wenn wir uns mit dem Vorhandenen begnügen würden und weniger fleißig wären? Auch für unsere Umwelt wäre es besser: weniger Rohstoff- und Energieverbrauch, weniger Müll, weniger Treibhausgase.

Jesus hat Luxus und Überfluss kritisiert und gefordert, die Armen zu unterstützen. Aber ab und zu hat er sich einen bescheidenen Luxus gegönnt, trug ein teures Hemd, ließ sich zu Festmahlen einladen, duldete, dass man ihn salbte, und ritt auf einem geliehenen Esel. Und hat seine Jünger und uns aufgefordert, unsere "Pfunde und Talente" nutzbringend anzuwenden: Da geht es nicht um Geldsummen wie im Gleichnis, sondern um Gaben und Fähigkeiten, die Gott uns anvertraut hat. Es wäre eine Beleidigung des Schöpfers, sie nicht zu nutzen.

In diesem Sinne ist auch der Monatsspruch aus der Bergpredigt gemeint: Stellt euer Licht nicht unter einen Eimer ("Scheffel"), sondern auf den Kerzenständer, damit es hell wird in eurer Wohnung und in der Welt. "Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten", denn "ihr seid das Licht der Welt."

Also freie Bahn den Tüchtigen? Zeigt, was ihr könnt und verwirklicht euch selbst? Das kann Jesus nicht gemeint haben. Denn in der Bergpredigt kritisiert er die "Theaterspieler", die mit ihren Frömmigkeitsübungen die Schau abziehen, um sich ins rechte Licht zu setzen. "Nein", meint Jesus, "stellt nicht euch in den Mittelpunkt. Die Öffentlichkeit soll nicht euch loben, sondern euern Vater im Himmel. Seid bescheiden."

Gott erwartet von uns nicht, dass wir uns als Stars aufspielen, sondern dass wir unser kleines Lichtlein leuchten lassen. Was ist das für ein Licht? Jesus kann damit nur die Liebe gemeint haben: Ein Fünkchen Liebe hat jeder, auch der herzloseste Mensch. Wie würde unsre Welt aussehen, wenn jeder dieses Fünkchen nicht in der Tiefe seines Herzens vergraben, sondern öffentlich zeigen würde?

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner