Monatsspruch Februar 2009

Wo ist euer Glaube? (Lukas 8,25)

Liebe Leserin, lieber Leser,

weit mehr als die Hälfte aller Deutschen halten sich für religiös. Sie behaupten das bei einer Umfrage, aber sie lassen sich wenig davon anmerken. Für uns ist Religion Privatsache. Wie es in unserm Herzen aussieht geht keinen etwas an.

Das hat verschiedene Gründe:

  1. Jesus hat uns verboten, unsre Frömmigkeit zur Schau zu stellen. Fasten und beten sollen wir im stillen Kämmerlein und nicht in der Öffentlichkeit. Spenden sollen anonym bleiben, so dass weder die Begünstigten noch die Medien davon erfahren.
  2. Wir leben seit Jahrhunderten mit Menschen anderen Glaubens zusammen und haben die Zänkereien früherer Zeiten satt. Wir haben eine Kultur der Toleranz entwickelt, in der jeder unangefochten seine angestammte Religion praktizieren darf.
  3. Aus diesen Gründen hat sich der Staat zum Prinzip gemacht, weltanschaulich neutral zu sein. Er ergreift für keine Religion Partei. Deshalb haben Kreuz wie Kopftuch so wenig Platz in öffentlichen Räumen wie Wahlplakate auf kirchlichen Grundstücken und Wahlpropaganda auf der Kanzel.

Andererseits brauchen Staat und Gesellschaft Menschen, die Rückgrat haben und ihre Meinung sagen. Das können sie nur, wenn sie eine Überzeugung haben, die ihnen ihr Glaube gibt.

Hat Jesus das gemeint, als er die Jünger fragte: "Wo ist euer Glaube?" Gucken wir doch einfach mal in der Bibel nach, in welchem Zusammenhang dieser Vers steht: Ein Boot gerät in Seenot, die Mannschaft wendet sich verzweifelt an Jesus. Er stillt den Sturm und wirft den Jüngern vor, sie hätten nicht genug geglaubt. Es geht also nicht darum, dass sie sich zu wenig anmerken lassen, auf wessen Seite sie stehen, sondern dass ihr Glaube nicht ausgereicht hat, so dass sie Angst bekamen.

Es geht hier auch nicht um die Überzeugung, dass Gott existiert, dass Jesus Gottes Sohn ist, geboren von der Jungfrau Maria, und dass er Wasser in Wein verwandeln kann. Was fehlt, ist das Urvertrauen, auch im Toben der Elemente in Gottes Hand zu stehen.

Es hat sich ja immer bewährt, in gefährlichen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren und nicht in Panik zu geraten. Wer in Panik ist, tut garantiert das Falsche, steuert etwa auf das vermeintlich sichere Land zu und wird auf eine Klippe geworfen. Oder er läuft davon, weil der Teppich in Brand geraten ist, statt das Feuer zu löschen, solange es noch klein ist. Angst ist ein schlechter Ratgeber und Gottvertrauen hilft uns, ruhig zu bleiben und das Richtige zu tun.

Ein schönes Beispiel, wie man in Seenot mit Gottvertrauen vernünftig handeln kann, lesen wir in Apostelgeschichte 27,20-44. Hier bewahrt Paulus in Seenot einen kühlen Kopf, macht den Menschen auf dem Schiff Mut und verhindert, dass die Matrosen mit dem Boot abhauen und dass die Soldaten die Gefangenen töten. So hat seine Besonnenheit und Entschlossenheit allen das Leben gerettet.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner