Grundbegriffe des Glaubens: Erlösung

Wir seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes. Denn wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung. (Römer 8,23b.24a)

Liebe Leserin, lieber Leser,

bei Trauerbesuchen bekam ich oft zu hören: "Jetzt ist die Oma von ihrem Leiden erlöst und hat keine Schmerzen mehr." Ist der Tod die Erlösung? Die totale Befreiung von allem, sogar der Last und Lust des Lebens?

Als Kind lernte ich Jesus kennen als "den lieben Heiland", den Heilenden, der Kranke gesund machte und sogar von ihrem Leiden Erlöste wieder ins Leben zurückholte. Für mich war "Heiland" eine Art Name und ich machte mir keine Gedanken über dieses Wort.

Wo es in der Lutherbibel vorkommt, steht es nicht für 'Heiler', sondern für 'Retter'. Rettungsdienste helfen wie der Heiland bei Gefahr. Heute gilt es nicht nur einzelne Menschen zu retten, sondern auch das Klima, bedrohte Arten, bankrotte Staaten, und mancher fühlt sich dazu berufen, "die Welt zu retten". Man weiß ja wie so was endet: Jesus, der Retter der Welt, starb am Kreuz. Aus der Traum von der Weltverbesserung.

Was ist denn für uns Erlösung? Luther schreibt im Kleinen Katechismus in der Erklärung zum 2. Artikel: "Ich glaube, dass Jesus Christus […] sei mein Herr, der mich […] erlöst hat, erworben, gewonnen von allen Sünden, vom Tod und von der Gewalt des Teufels;[…] mit seinem […] Blut und mit seinem […] Leiden und Sterben; damit ich sein eigen sei und in seinem Reich unter ihm lebe und ihm diene […]"

Jesus hat uns erlöst von Sünde, Tod und Teufel, uns freigekauft, wie man früher für Gefangene ein Lösegeld bezahlt hat. Wie nun, machen wir keine Fehler mehr? Müssen wir nicht sterben? Kann uns niemand mehr verführen? Prallen die Tricks der Gauner an uns ab? Na ja, vielleicht bringen wir die Weisheit und innere Kraft auf, die Tricks zu durchschauen und Nein zu sagen, dem Tod immer wieder von der Schippe zu springen und durch vernünftiges Handeln Fehler zu vermeiden. Tatsächlich kann uns der Glaube dazu verhelfen. Aber eines Tages erwischt uns der Sensenmann doch und ich wünsche keinem von euch, dass ihr erleben müsst, wie alles, was euch wichtig war und wofür ihr gekämpft und gearbeitet habt, in sich zusammenbricht. Aber es kommt unweigerlich, denn alles ist vergänglich und nur weniges ist dauerhaft gut.

Erlösung besteht für mich darin, dass Jesus "mein Herr" geworden ist und ich damit "sein eigen" bin. "Jesus is a winner man", ein Gewinner, wie es in einem Spiritual heißt, ist nur die halbe Wahrheit. Denn erst mal war er ein "loser", ein Verlierer, gescheitert am Kreuz. Er musste erst mal ganz unter durch - und ich als sein "Anhänger" auch. Insofern ist er ja wirklich ein Gewinner: Er hat mich gewonnen (wie im Lotto), und jetzt hat er mich, als Klotz am Bein, Blutfleck auf dem Hemd oder Dorn in der Krone, und muss zusehen, was er mit mir anfängt. Deshalb kann ich mit Paul Gerhard singen: "Ich hang’ und bleib’ auch hangen an Christus als ein Glied; wo mein Haupt durch ist gangen, da nimmt er mich auch mit" - runter in die Hölle und rauf in den Himmel. "Er reißet durch den Tod, durch Welt, durch Sünd’ und Not, er reißet durch die Höll’, ich bin stets sein Gesell." (EG 112,6)

Ich habe gute Erfahrungen mit ihm gemacht. Er hat mir manches zugemutet, dornige und steile Wege, Arbeit und Ärger, aber auch die Kraft gegeben durchzuhalten. Und hat sich nicht lumpen lassen und mir vieles spendiert, was mir hilft und mich erfreut. Ich kann nur dankbar sein. Darum kann ich euch nur Mut machen: Hängt euch mit dran. Er "reißt" uns alle durch, durch Dick und Dünn.

Paulus schreibt: "Wir sind gerettet, aber auf Hoffnung", die endgültige Erlösung steht noch aus - in einer anderen Welt, bei Gott, wo auch Jesus ist. Sind wir Christen Phantasten? Na klar! Denn Jesus war ein Phantast, denn er glaubte an die Macht der Liebe. Die gibt's es nicht von Natur aus und wird nur Wirklichkeit, wenn wir dran glauben - und uns von der ewigen Liebe Gottes erfüllen lassen. Nur bei Ihm, jenseits der Wirklichkeit, finden wir Erlösung, im Leben und im Tod.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner