Liebe Leserin, lieber Leser,
zwei Polizisten standen vor der Tür: "In der Nachbarschaft ist wiederholt eingebrochen worden. Bitte geben Sie uns Ihren Schmuck und Ihre Wertsachen, wir bewahren sie sicher für sie auf." - "Zeigen Sie uns mal Ihre Dienstausweise!" Und weg waren sie. Sie waren nicht von der Polizei geschickt.
Ich wollte einmal eine alte Frau zum Geburtstag besuchen. Sie kannte mich nicht und fragte nach meinem Dienstausweis. Auch ich hatte keinen und ging wieder. Recht hatte sie! Im nächsten Jahr war auch der Sohn da, der kannte mich und ließ mich rein. Es gab in meiner ganzen Dienstzeit nur noch einen Fall, wo jemand nicht glauben wollte, dass ich der Pfarrer war. Was hätte ich tun sollen? Im Talar oder Lutherrock kommen? Die beiden Betrüger trugen Dienstkleidung. Ausweise kann man fälschen. Meine Urgroßmutter wollte nach dem 1 .Weltkrieg Verwandte besuchen im französisch besetzten Gebiet. Der Grenzsoldat fragte "Passeport?" Sie hatte keinen und hielt ihm irgendeinen Wisch hin. Er winkte sie durch.
Von daher kann ich die vielen Bibelstellen verstehen, wo Jesus nach seiner Vollmacht gefragt wurde. Er kannte sich in der Bibel aus und konnte heilen. Man nannte ihn "Rabbi", Meister. Aber er war nicht linientreu. Wie konnte er beweisen, dass man ihm trauen durfte? Papiere gab's noch nicht und Wunder zur Beglaubigung lehnte er ab. Das einzige was er vorweisen konnte, waren seine Worte.
Worte können überzeugen. Oder auch nicht. Die Kritiker wollten Taten sehen. Hitler war ein begabter Redner und konnte die Massen begeistern. Aber der ließ auch Taten sehen, er unternahm was gegen die Arbeitslosigkeit. Das überzeugte mehr als sein Auftreten. Seine eigentlichen Absichten standen in einem Buch, das jeder hatte, aber kaum einer las und verstand. Es ist so schwer hinter die Kulissen zu schauen und zu erkennen, was einer will. Manchmal wissen wir ja selbst nicht, was wir wollen. Glauben ist hochriskant.
Und so geht's doch heute überall. Unfähige Inhaber von Ämtern, Titeln und Papieren auf der einen Seite und "selbsternannte Experten" und Scharlatane auf der anderen - und doch auch Wissen, Können, Erfahrung hüben und drüben.
Jesus sagt nach seiner Auferstehung zu den Aposteln: "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch." Apostel, "Gesandte" waren nicht nur die zwölf handverlesenen Jünger, sondern in der ersten Christenheit alle Missionare. Zum Beispiel Paulus, der Jesus gar nicht gekannt hatte, sondern von seiner Gemeinde in Antiochia ausgesandt wurde. Er berief sich aber nicht auf diesen Auftrag, sondern darauf dass ihm der Auferstandene erschienen sei. Und hatte Schwierigkeiten als Apostel anerkannt zu werden. Nicht weil er keine Papier hatte, sondern weil es Leute gab, die Papiere hatten und sich besser verkaufen konnten als er.
Am Beispiel von Paulus erkennen wir drei wichtige Voraussetzungen für einen Dienst im Auftrag Jesu:
Wer gehört zu denen, die Jesus gesandt hat? Alle? Nur ein paar? Heute keiner mehr? Besondere Aufträge kriegt nicht jeder. Aber für uns alle gilt: "Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt." (Johannes 13,34.35)
"Du sendest uns durch dein Wort in die Welt, wir gehen, Herr. Du gehst voran, gibst uns Weisung und Ziel. Wir folgen Herr." (Ottmar Schulz 1966/7)
Mit freundlichen Grüße
Heinrich Tischner