Monatsspruch Februar 2019

Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. (Römer 8,18)

Liebe Leserin, lieber Leser,

"alles Leben ist Leiden", erkannte der behütete und verwöhnte indische Königssohn Siddhartha Gautama, genannt Buddha 'der Erwachte', als er das wirkliche Leben kennenlernt mit Krankheit, Alter und Tod. Fortan suchte er nach einem Weg wie man das Leid überwinden kann: Indem man die Ursache bekämpft, die Gier nach Leben.

Das ist das genaue Gegenteil von unsrer heutigen Auffassung, wonach Leben, Freiheit und das Streben nach Glück ein Menschenrecht ist. Leiden, Armut, Not, Krankheit, Alter und Tod stehen dem im Weg. Auch wir versuchen die Ursachen zum bekämpfen: Arbeit, gerechter Lohn und Wohlstand für alle, Versicherungen und Vorsorge, ein gut organisiertes Gesundheitswesen, Pflege und Sterben in Würde müssen gewährleistet sein, die Ursachen für Krieg, Flucht und Vertreibung müssen bekämpft werden. Wir dürfen die Hände nicht in den Schoß legen und Gott einen guten Mann sein lassen, sondern müssen "die Welt verändern". Und das Patentrezept: Wachstum! Hört man heute allenthalben.

Kaum zu glauben: Unser "Streben nach Glück" macht uns nur unglücklich. "Je mehr er hat, je mehr er will. Nie schweigen seine Klagen still" reimte schon 1776 Johann Martin Miller und singt stattdessen "Was frag ich viel nach Geld und gut, wenn ich zufrieden bin." Auch Jesus geißelt das Streben nach immer noch mehr, die Unersättlichkeit: "Hütet euch vor aller Habgier" (wörtlich "mehr haben wollen", Lukas 12,15). Die Auswirkungen auf alle unsre Lebensbezüge sind bekannt: Wir leben auf Kosten anderer Leute und verbrauchen mehr, als unser Planet liefern kann. Ungebremstes Wachstum nennen die Mediziner Krebs!

"Alles Leben ist Leiden", sagte Buddha. Und was sagte Jesus? "Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir." (Matthäus 16,24) Wer ist denn so verrückt und strebt nach Leiden ("Kreuz") statt nach Glück? Darum geht's gar nicht, sondern Jesus spricht das zunächst aus dem Augenblick heraus: Er hatte gute Ideen und konnte die Menschen damit begeistern, ich bin ja selbst von ihm begeistert. Und dann sagte er: "Leute, wir machen nach Jerusalem. Wer macht mit?" Was will er dort? König werden! "Jesus is a winner man", der wird's denen da oben zeigen, auf sie mit Gebrüll! Das meint auch Petrus: "Du bist unser Superman, der Messias, du musst König werden!" Aber Jesus dämpft die Begeisterung: "Wir werden mit dem Schlimmsten rechnen müssen." Wir wissen zwar nicht, was er vorhatte, aber wie die Sache ausgegangen ist: Jesus wurde gekreuzigt, später auch Petrus und Andreas. Die meisten Apostel starben eines gewaltsamen Todes und nach ihnen viele andere, bis heute. Sie fielen nicht im Kampf, sie sprengten sich nicht selbst in die Luft, um andere mit in den Tod zu reißen, sondern sie "verbrannten sich den Mund", sie machten den Mund zu weit auf und kriegten eine in der Fresse. Nicht um zu provozieren und Leute zu ärgern wie die bösen Buben, sondern um ihre Meinung zu sagen. Und dieses Recht hat jeder, nicht nur ich, sondern auch die anderen, die was sagen, was mir nicht gefällt. Das sind Risiken und Nebenwirkungen, vor denen kein Arzt und Apotheker warnt. Aber Jesus.

"Das Kreuz auf sich nehmen" und leiden hat für die meisten Christen aber eine andere Bedeutung: sich in das Unvermeidliche schicken. "Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit", aber auch dadurch, dass wir unsre Kräfte vergeuden im aussichtslosen Bemühen, das Leiden abzuschütteln. Wer schwach ist, meint verbissen sich gegen alles wehren zu müssen. Die wahre Stärke zeigt sich nicht im Siegen, sondern im Ertragen. Und nicht vergessen: "Leiden können" ist ein anderes Wort für "lieben".

Und wozu das alles? Davon redet Paulus: "dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll." Das ist aber nicht nur Zukunftsmusik, sondern macht sich schon jetzt bemerkbar. Paulus schreibt in den folgenden Versen: "Wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung." Unsre Welt ist und bleibt unerlöst, aber die Erlösung kann bei dir anfangen. Du musst nicht nach den Sternen streben, um glücklich zu werden. Lass dich von Gottes Liebe erfüllen, dann hast du Leben, Freiheit und Seligkeit. "Halt an, wo läufst du hin? Der Himmel ist in dir. Suchst du ihn anderswo, du (ver)fehlst ihn für uns für." (Angelus Silesius)

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner