Jahreslosung 2020

Ich glaube; hilf meinem Unglauben! (Markus 9,24)

Monatsspruch Januar 2020

Gott ist treu. 1. Korinther 1,9

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich wünsche dir ein gesegnetes neues Jahr, der Beginn eines neuen Jahrzehnts. Was hat das alte gebracht, was genommen? Was wird das neue bringen und nehmen? Auf jeden Fall mehr Vergangenheit und weniger Zukunft. Wir werden um einige Erfahrungen und noch mehr Fehler reicher werden. "Noch will das alte (Jahr) unsre Herzen quälen, noch drückt uns schwerer Tage böse Last. Ach Herr, gib unsern aufgescheuchten Seelen, das Heil, für das du uns bereitet hast."

Der kürzeste Monatsspruch aller Zeiten macht uns Mut: "Gott ist treu." Er hält zu uns, solange wir uns zu ihm halten. Aber was ist, wenn wir nicht mehr wollen?

Zu Beginn der endlosen Brexit-Verhandlungen meinte ein deutscher Politiker: "Wer gehen will, soll gehen." In einem Film sagte eine lesbische Partnerin zur anderen: "Die Wissenschaft hat festgestellt, dass die Liebe nach sieben Wochen erlischt, tschüss, ich gehe." Auch wenn der Freundin fast das Herz brach. Und was tat der Vater im Gleichnis, als der Sohn wegwollte? Er hat ihn wortlos ausgezahlt und gehen lassen. Also doch: "Wer gehen will, soll gehen"?

Dass Kinder aus dem Haus gehen, wenn sie erwachsen sind, ist ja ganz normal. Manchmal im Streit, meist aber friedlich. Manche Lehrer sagen ja: "Bleib doch noch ein bisschen", aber als ich meine Zeit in der Schule abgesessen hatte, ließen mich die Lehrer gehen. Und eines Tages wird jeder gehen müssen, da hilft kein Bitten und kein Betteln. Und trotzdem: Wenn ich von der Schule heimkam, stand oft meine Oma am Tor und wartete auf mich. Genauso stand der Vater im Gleichnis am Tor und hielt nach dem Sohn Ausschau. Und als er ihn sah, lief er ihm entgegen und fiel ihm um den Hals.

"Gott hält zu uns, solange wir uns zu ihm halten" stimmt also nicht ganz. Er hält uns zwar nicht gefangen, sondern lässt uns gehen, wenn wir nicht mehr wollen oder können. Aber er gibt uns nicht einfach auf wie die Partnerin im Film, als die sieben Wochen um waren.

Oder stelle ich mir das zu einfach vor? Mit dem alten Mann mit langem Bart wie im Bilderbuch? Hat nicht die Wissenschaft festgestellt, dass es den gar nicht gibt? Ach was, Wissenschaft! Man muss doch nicht alles glauben, was die sagt! Sie hat auch festgestellt, dass es mit der Liebe nach sieben Wochen aus ist. Und dass die Welt in den letzten 60 Jahren 12 Milliarden Jahre älter geworden ist. Und dass es in den letzten Jahrhunderten es kaum einen Tag gab, an dem auf der ganzen Welt Friede war. Und trotzdem glaube ich an den Frieden. Warum, den gibt's doch gar nicht? Nein, ich kann den Frieden spüren, weil ich Frieden will. Und ich kann Liebe spüren, weil ich Liebe will. Und ich kann Gott in meinem Leben spüren, wenn ich an ihn glaube und mit ihm ernst mache.

Und trotzdem kommen mir immer wieder Zweifel. Nicht weil Er nicht zu beweisen ist, sondern weil in mir ein kleines Teufelchen immer wieder sagt: "Warum hältst du noch an Gott fest?" Da kann ich nur beten: "Hand, die nicht lässt, halte mich fest." Oder wie in der Jahreslosung: "Ich glaube; hilf meinem Unglauben!"

Da geht's nicht um Aussagen der Bibel oder der Kirche, über die man verschiedener Meinung sein kann. Um was sonst? Das erkennen wir, wenn wir die Jahreslosung im Zusammenhang lesen (Markus 9,14-29): Ein Junge liegt auf dem Boden, zuckt, hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen. Der Vater und die Jünger stehen hilflos drum herum. Jesus kommt dazu und der Vater bittet: "Hilf ihm, wenn du kannst." - Antwort: "Wer glaubt, dem ist alles möglich." Da geht's um Zutrauen und den festen Willen und die Bereitschaft sich helfen zu lassen. Der beste Doktor ist machtlos und die beste Medizin hilft nicht, wenn man nicht glaubt, dass es was nützt. Wenn ich aber keine Kraft mehr habe, kann ich nur noch beten: "Hand, die nicht lässt, halte mich fest."

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner