Monatsspruch Januar 2021

Viele sagen: "Wer wird uns Gutes sehen lassen?" HERR, lass leuchten über uns das Licht deines Antlitzes! (Psalm 4,7)

Jahreslosung 2021

Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist! (Lukas 6,36)

Liebe Leserin, lieber Leser,

da spricht einer sein Abendgebet, geht ins Bett und hofft auf einen guten und ruhigen Schlaf. Aber er findet keine Ruhe. So geht mir's oft. Was mich tagsüber beschäftigt hat, geht mir immer noch durch den Kopf. Es lässt mich nicht los und ich kann's auch nicht loslassen. Ich könnte die ganze Nacht grübeln. Da hilft nur ein Machtwort: "Grübel nicht, schlaf!" Und das wirkt tatsächlich.

Der Psalmdichter kennt das auch. Er schreibt ein Gebet nicht nur für sich, sondern auch für andere, so wie ich meine Andacht für euch schreibe - aber auch für mich. Schreiben hilft Gedanken sortieren, das machen wir auch im Schlaf, ohne dass wir's merken.

Was beschäftigte denn den Dichter? Lies mal den ganzen Text: Er rechnet mit Leuten ab, die er "Herren" nennt, vielleicht mit Vorgesetzten, vielleicht mit hohen Politikern, oder auch nur Heinis, die meinen sie hätten was zu sagen. "Grrr!" sage ich oft wenn ich mich ärgere. Da könnte man die Wände nauf machen, wenn man nur dran denkt. Und was tut man da? Hingehen und ihnen die Meinung stecken? Das wäre das einzig Vernünftige, geht aber meist nicht, weil sie unerreichbar sind - oder weil ich mich nicht traue und weil giftige Worte streuen, Hasskommentare posten Sünde ist. Wenn ich aber alles in mich rein fresse, vergifte ich mich selbst. "Kotz es aus" sagt man, wenn sich jemand mit bösen Gedanken herumplagt. Auf Hochdeutsch: "Schütte dein Herz aus", erzähl es jemand, dem du vertrauen kannst und der es bestimmt nicht weiter sagt.

Mehrere Konfirmandinnen gestanden mir, dass sie mit Gott reden: "Dem kann ich alles sagen und er quatscht mir nicht dazwischen." Auch Denken kann ein "Zwiegespräch mit Gott sein", wenn wir mit Gott verbunden sind. Ich habe schon Antworten gefunden, fast schneller, als ich fragen konnte. Einmal, in meiner Jugend, hatte ich mich über jemand mordsmäßig geärgert und wollte Gott bitten ihn dafür zu bestrafen. Und bekam zur Antwort: "Überlass das dem Jüngsten Gericht!" Bis zum Nimmerleinstag warten? Was für eine Zumutung! Nein, da wurde mir klar, dass dann manches vielleicht gar nicht mehr so wichtig ist. Und wenn's dann nicht so wichtig ist, kann mir's auch jetzt egal sein. Erleichtert schlief ich ein. Mir sind auch sonst manche Wünsche im Hals stecken geblieben. Ich kann Gott nicht alles sagen, weil ich selbst erkenne, dass das unsinnig ist.

Zurück zum Psalm: Der Beter hat sich über Machtmenschen geärgert und spricht aus, was viele empfinden. Und ermahnt die Mitbeter zur Vernunft: Lasst euerm Zorn nicht freien Lauf, sondern reißt euch am Riemen. "Erkennet doch, dass der HERR seine Heiligen wunderbar führt." Kann ich bestätigen. Er führt wunderbar zum Besten. Und wieder ärgere ich mich, über die Neunmalklugen, die uns das alles ausreden wollen: Da es keinen Gott gibt, kann er auch keine Gebete erhören und nicht wunderbar führen. Alles unwiderlegbar ausgetüftelt und bewiesen. Ich sprach mal mit einem Fachmann über ein technisches Problem und sagte, wie ich das bisher gemacht hatte. "Das kann doch gar nicht funktionieren!" Es hat aber doch die ganze Zeit funktioniert! Ich hab gelernt, dass Gott Gebete erhört, und hab's ausprobiert, es funktioniert. Dass nicht alles nach meinem Kopf gehen kann, ist doch klar. Andere haben gelernt, dass es keinen Gott gibt. Und kommen gar nicht auf die Idee zu beten.

Glaube ist keine Ansammlung verrückter Theorien, sondern eine Art zu leben. Gott ist keine Gedankenkonstruktion, sondern erfahrbare Wirklichkeit. Probier's aus, kann ich dir nur empfehlen. Ich hab gute Erfahrungen damit gemacht.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner