Logion (=Sinnspruch) 63:
"Jesus hat gesagt: Es war einmal ein reicher Mann, der viele
Güter hatte. Er sagte: Ich werden meine Güter benutzen, um zu
säen, um zu ernten, um zu pflanzen, um meine Speicher
aufzufüllen, daß ich nichts entbehren werde. Solcher Art waren
seine Gedanken in seinem Herzen. Und in derselben Nacht starb
er. 0, daß doch der, der Ohren hat, höre!"
Logion 97:
"Jesus hat gesagt: Das Reich des Vaters ist gleich einer Frau,
die ein Gefäß voller Mehl trägt, wobei sie auf einem entfernten
Wege geht. Der Henkel des Gefäßes ist zerbrochen, das Mehl hat
sich zerstreut hinter ihr auf dem Weg. Sie bemerkte es nicht,
und sie wußte nichts von dem Unfall, als sie in ihrem Hause
ankam: sie stellte das Gefäß auf die Erde, und sie fand es
leer."
Natürlich hat sich auch
der Geschichte Jesu bemächtigt und vor allem dort ein reiches Betätigungsfeld gefunden, wo die neutestamentlichen Schriften schweigen.
Die kanonisierten Evangelien berichten sehr wenig von der Kindheit Jesu. Hier setzen die gnostischen Kindheitsevangelien ein. Man nennt sie allgemein auch
Hier ein Beispiel aus den "Kindheitserzählungen des Thomas":
"Ich, Thomas, der Israelit, verkündige und mache euch allen, ihr
Brüder aus den Heiden, all die Kindheits- und Großtaten unseres
Herrn Jesus Christus bekannt, die er in unserem Lande, wo er
geboren wurde, vollbrachte. Folgendermaßen fing er an. Als der
Knabe Jesus fünf Jahre alt geworden war, spielte er an einer
Furt eines Baches; das vorüber fließende Wasser leitete er in
Gruben zusammen und machte es sofort rein, mit dem bloßen Wort
gebot er ihm.
Er bereitete sich weichen Lehm und bildete daraus zwölf
Sperlinge. Es war Sabbat, als er dies tat. Auch viele andere
Kinder spielten mit ihm. Als nun ein Jude sah, was Jesus am
Sabbat beim Spielen tat, ging er sogleich weg und meldete dessen
Vater Joseph: 'Siehe, dein Knabe ist am Bach, er hat Lehm
genommen, zwölf Vögel gebildet und hat den Sabbat entweiht.' Als
nun Joseph an den Ort gekommen war und (es) gesehen hatte, da
herrschte er ihn an: 'Weshalb tust du das am Sabbat, was man
nicht tun darf?' Jesus aber klatschte in die Hände und rief den
Sperlingen zu: 'Fort mit euch!' Die Sperlinge öffneten ihre
Flügel und flogen mit Geschrei davon. Als aber die Juden das
sahen, staunten sie, gingen weg und erzählten ihren Ältesten,
was sie Jesus hatten tun sehen."
1. Apostelgeschichten
Die Apostelgeschichte des Lukas berichtet eigentlich nur über die Taten des Petrus und des Paulus sowie einiges von Johannes, Jakobus und Philippus; von den Taten der übrigen Apostel finden wir nichts im ganzen Neuen Testament. Die Apokryphen versuchen diesem Mangel abzuhelfen, indem sie zusätzliche Apostelgeschichten des Petrus, Paulus, Johannes, Andreas und Thomas überliefern. Dabei mögen die Apokryphen in dem einen oder anderen Fall durchaus auf zuverlässige außerbiblische Quellen zurückgreifen können, so besonders das, was die Märtyrertode der Apostel anbetrifft.
Das meiste in ihnen ist allerdings unglaubwürdige Legende.
2. Briefe
Die Kirche hat sehr früh einige Briefe, die unter dem Namen von Aposteln im Umlauf waren, als Fälschungen erkannt und nicht in das Neue Testament aufgenommen, so zum Beispiel einen angeblichen Brief des Paulus an die Laodicener (das war die urchristliche Gemeinde in Kleinasien) oder einen Briefwechsel des Paulus mit dem römischen Philosophen Seneca und verschiedene Predigten, die Paulus oder Petrus zugeschrieben wurden.
3. Offenbarungen
Sowohl im Judentum als auch im Christentum ist uns eine ganze
Fülle von Schriften überliefert, die sich alle mit einer Deutung
der Weltgeschichte und dem Ende der Welt beschäftigen. Von ihnen
sind nur das Buch Daniel im Alten Testament und die Offenbarung
des Johannes im Neuen Testament in die Bibel aufgenommen worden.
Wir fragen uns heute, wie es der jungen Kirche gelungen ist, aus
einer fast unübersehbaren Fülle von Schriften, die in zwei
Jahrhunderten entstanden sind, diejenigen herauszufinden, die
auch nach heutigem Urteil als die ältesten und besten anzusehen
sind.
Vor allem müssen wir in diesem komplizierten Sichtungs- und Aussonderungsprozess das Wirken des Heiligen Geistes sehen. Anders lässt sich nicht verstehen, wie die echten und wertvollen Überlieferungen von Jesus durch die junge Kirche vor einer Verwilderung bewahrt und geschützt werden konnten. Man ist bei diesem Aussonderungsprozess ja sehr wahrscheinlich noch nicht, wie heute üblich, von sprachlichen und literarischen Grundsätzen ausgegangen, sondern allein von inhaltlichen.
Als echt beziehungsweise kanonisch anerkannt wurden nur solche Schriften, die in ihrer theologischen Aussage mit dem übereinstimmten, was man als die rechte Lehre erkannt hatte.
Diese Bücher und Schriften boten von ihrem Inhalt her keinen Grund zur Beanstandung, trotzdem wurden sie nicht in das Neue Testament aufgenommen. Ihre Verfasser waren so ehrlich, unter ihrem eigenen Namen zu schreiben und nicht unter dem Namen eines der Apostel.
Zu nennen sind hier:
1. Der Brief des Clemens von Rom an die Korinther
Clemens war zwischen 90 und 100 nach Christus Bischof von
Rom. Er hält sich aber in seinem Brief bescheiden im
Hintergrund.
Von dem Brief gibt es keine Handschriften oder dergleichen mehr.
Er ist uns nur durch andere christliche Schriftsteller bekannt.
Der Anlass des Clemens-Briefes waren Streitigkeiten in der
korinthischen Gemeinde. Clemens wollte schlichten helfen und
beitragen zu einem besseren Verständnis dem römischen Staat
gegenüber.
2. Die sieben Briefe des Ignatius von Antiochien (sogenannte Ignatianen)
an verschiedene Gemeinden: Ephesus, Magnesia, Tralles, Rom, Philadelphia und an Polykarp, den Bischof von Smyrna. Ignatius hatte die sieben Briefe auf seiner Reise nach Rom geschrieben. Sie enthalten Ermahnungen zu einem christlichen Leben und Warnungen vor Irrlehren. Er starb 117 n. Chr. den Märtyrertod.
"Eine eigenartige religiöse Gedankenwelt repräsentieren die
Ignatianen. Gottesbegriff und Heilsbegriff tragen eine
naturhafte, mystische Färbung; die Erlösung wird nicht ethisch,
sondern physisch gefasst (Erlösung aus dem Todesverhältnis); die
Sündenvergebung tritt völlig zurück. Die Gottheit ist als eine
Art Substanz gedacht, mit der man verschmelzen kann; das
Heilsgut wird durch Einwohnung Gottes in den Gläubigen erlangt…
Diese religiösen Begriffe sind in den Rahmen einer
christozentrischen Heilsgeschichte eingefügt: die Menschheit vor
Christus ist dem Tode verfallen; Christus wird der Begründer
einer neuen Menschheit" (Karl Heussi).
3. Die beiden Briefe des Polykarp an die Philipper
Polykarp war ein Schüler des Apostels Johannes gewesen. Er starb 155 nach Christus auch den Märtyrertod.
4. Die Zwölfapostellehre (Didaché)
Sie ist zwischen 80 und 100 nach Christus entstanden und
stellt eine Art Katechismus dar, also ein Lehrbuch in Frage und
Antwort. Sie ist zugleich auch eine Kirchenordnung mit
sittlichen Geboten und kultischen Vorschriften über die Taufe,
das Fasten, das Gebet und mit Vorschriften über das
Gemeindeleben: Aufnahme von Wanderpredigern, Gemeindepropheten,
Lehrern, der Wahlen von Gemeindeleitern (etwa den heutigen
Kirchenvorstehern gleichzusetzen) und Diakonen. Die
Gemeindeleiter (Presbyter) vertraten den Bischof
(Gemeindepfarrer) im Gottesdienst und im Lehramt.
Auch zu Schriften von den Apostelschülern gibt es noch eine
Fülle unechten Materials. Sie wurden beispielsweise unter den
Namen des Clemens, Ignatius oder Polykarps veröffentlicht,
stammen jedoch nicht von ihnen.
Edwin Suckut