Monatsspruch Dezember 2013

In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. (Johannes 1,4)

Liebe Leserin, lieber Leser,

an Weihnachten feiern wir - ja was denn eigentlich? - einen Geburtstag! Vor etwa 2000 Jahren hat Jesus von Nazareth "das Licht der Welt erblickt". Er, der später von sich sagte "Ich bin das Licht der Welt" und von uns Christen "Ihr seid das Licht der Welt". Er, der durch die Taufe Gottes Kind wurde, wie auch wir Gottes Kinder sein dürfen. Er, unser großer Bruder und doch auch Herr und Meister, unser großes Vorbild, Wegweiser, Beistand und Ziel. Er, dem das Leben geschenkt und 33 Jahre später wieder brutal genommen wurde. Licht an, Licht aus, wie bei jedem von uns. Er, den Gott zu sich in den Himmel geholt hat, der den Ausbruch geschafft hat aus dem Gefängnis des Todes, nicht zurück in unsre Welt, sondern in eine andere Dimension, in die Welt des Geistes - nicht Lichtjahre über unsern Köpfen, sondern um uns und in uns - wenn wir es zulassen. Wir dürfen ihm folgen in allem, durch Leiden, Dunkelheit und Hölle hinein in die helle Welt Gottes, zum wahren Licht und zu wahrem Leben.

Weihnachten ist das Fest der Geburt und der Menschwerdung! Das grandiose Johannesevangelium versteht Jesus als ein Wesen aus einer anderen Welt: In ihm zwängt sich der Allmächtige, für den der Himmel zu klein ist, in den Körper eines Babys, lässt sich zu einem Wickelkind schnüren, in eine Krippe legen, auf der Flucht vor Herodes nach Ägypten verschleppen und wächst in dieser Hülle zu einem geistbegabten Menschen heran, der Zustimmung und Widerspruch fand, ein Licht in der Finsternis, das den Dunkelmännern unangenehm war und ausgeblasen wurde. "Gott ist tot", hieß es vor 40 Jahren. "Die Finsternis hat's nicht begriffen".

Und wir? Ging es uns nicht genauso? Auch wir wurden geboren. Ja, aber nicht weil Papa und Mama es so wollten, oder weil sie nicht aufgepasst hatten, oder weil Papa wollte, aber nicht die Folgen bedachte, und Mama eigentlich nicht… "Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu" - ist das nicht zu hoch gegriffen?

Johannes schreibt: "Am Anfang war das Wort", der ausgesprochene Gedanke Gottes, das Schöpfungswort, das die Welt ins Dasein rief. Auch dich und mich? Oder hat er die Welt nur erschaffen, den Motor angekurbelt und sie dann sich selbst überlassen?

Ich kann mir nicht helfen: Wir erleben doch in jeder Geburt das Wunder der Schöpfung neu. Das Wesentliche dieses neuen Menschleins sind nicht seine Haut und Knochen und Gene, das Wesentliche ist seine kleine Persönlichkeit, die es mit auf die Welt bringt: Ein kleines Fröschchen, vom Storch aus dem Teich gefischt? Ein Sternlein vom Himmel, das ein Engel in den Mutterleib legt? Nein, ein Nachklang des Schöpferworts: "Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei"! Ein Vorsatz, der erst noch Wirklichkeit werden muss. Er war nicht damit verwirklicht, dass aus dem plumpen Lehmklumpen ein Adam geformt wurde, auch nicht dadurch, dass aus einem Ableger ein zweiter Mensch gezüchtet wurde, eine Eva. Auch nicht dadurch, dass Jesus und du und ich geboren wurden. Denn nun fing die Hauptarbeit des Schöpfers an: Er knetet oder schnitzt unser ganzes Leben an uns herum, bis wir so sind, wie er uns haben will. Wundert euch nicht über mancherlei Unannehmlichkeiten. Geboren werden tut weh. Wir begrüßen das Licht der Welt mit einem Schrei der Entrüstung. Geknetet und geschnitzt werden tut weh. Und uns wieder ganz klein machen und durch einen dunklen Tunnel in eine andere Welt gepresst werden tut auch weh.

Lass dich nicht irremachen von dem gut gemeinten Wunsch "Bleibe, wie du bist", dann eher "Werde, der du sein sollst". Lass Gott an dir arbeiten. Und nimm dir Jesus zum Vorbild, der das ja alles auch durchgemacht hat.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner