Einführung in das Neue Testament

Teil 15

Der Apostel Paulus - Sein Leben und Wirken

Alles, was wir von der Person des Apostels Paulus und seinem Wirken in der jungen Christenheit wissen, haben wir einmal aus der Apostelgeschichte. Dort wird sein Leben und Wirken in großen Zügen dargestellt. Zum anderen wissen wir viel über ihn von ihm selbst, und zwar durch seine Briefe, die er an verschiedene Gemeinden in Kleinasien und Griechenland geschrieben hat.

Geschichtlich genaue Daten, wie etwa den Tag, den Monat und das Jahr seiner Geburt oder seines Todes, sind uns nicht bekannt und heute nicht mehr feststellbar.

Paulus wurde etwa im Jahr 5 nach Christus in der Großstadt Tarsus in Cilicien (Kleinasien) geboren.

Er erlernte wahrscheinlich zuerst das Handwerk eines Webers und Zeltmachers, ehe er nach Jerusalem ging, um bei dem hoch angesehenen, Pharisäer, Schriftgelehrten und Mitglied des Synedriums („Hoher Rat“) Gamaliel, jüdische Theologie zu studieren. Vielleicht wohnte er in dieser Zeit bei seiner Schwester, die in Jerusalem verheiratet war.

Sein eigentlicher Geburtsname ist Saulus (von hebräisch sa‘ul = der Erbetene). Nach seiner Bekehrung (etwa 33 nach Christus) trug er diesen Namen nicht mehr, sondern nannte sich ab da nur noch Paulus (=der Geringe).

Zum ersten Mal begegnet er uns in der Apostelgeschichte bei der Steinigung des ersten christlichen Märtyrers, Stephanus: "Und die Zeugen gaben ihre Kleider einem jungen Mann namens Saulus in Verwahrung" (Apostelgeschichte 7,58). "Saulus hatte seine Freude an der Steinigung des Stephanus", heißt es ein paar Verse weiter, denn er war ein aufstrebender Rabbinenschüler und fest davon überzeugt, dass die Sekte der Christusanhänger dem Judentum nur Schaden zufügte.

Ausdrücklich wird deshalb im 8. Kapitel der Apostelgeschichte geschrieben: "Saulus aber wollte die Gemeinde des Herrn vernichten. Er durchsuchte alle Häuser und ließ Männer und Frauen ins Gefängnis werfen" (Vers 3).

Die Laufbahn des großen Missionars und Christenapostels beginnt also als strenger Rabbiner und wütender Feind der Christen. Diese Gegnerschaft geht so weit, dass er sich sozusagen als Untersuchungsrichter einsetzen lässt, um besser gegen die Christusanhänger vorgehen zu können. Er bekämpft und verfolgt sie bis nach Damaskus in Syrien (etwa 250 Kilometer von Jerusalem entfernt).

Kurz vor Damaskus geschieht dann jedoch die große und entscheidende Wende im Leben, Denken und Handeln des Paulus. Der auferstandene und in den Himmel aufgenommene Christus stellt sich ihm in den Weg: "Und als er auf dem Weg war und nahe an Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der Herr sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Stehe auf und gehe in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst. Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen und waren erstarrt; denn sie hörten die Stimme, aber sahen niemand. Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen auftat, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber von der Erde auf und führten ihn nach Damaskus; und er war drei Tage nicht sehend und aß und trank nicht." (Apostelgeschichte 9,3-9, nach der revidierten Übersetzung Martin Luthers von 1956).

Nach diesem, für Paulus und die junge Christenheit, entscheidenden Ereignis, wird er einer von denen, die er bisher verfolgt hatte. Paulus wird Christ. Er verbringt anschließend einige Zeit (drei Jahre?) in Damaskus und "predigt in den Synagogen von Jesus, dass dieser Gottes Sohn sei" (Apostelgeschichte 9,19-20). Als die Juden sich gegen ihn stellen und sogar nach dem Leben trachten, flieht er nach Jerusalem. Dort bekommt er durch seinen späteren Missionsgefährten Barnabas Kontakt zu den Aposteln Petrus, Johannes, Jakobus und anderen. Auch in Jerusalem und der näheren Umgebung entfaltet Paulus eine rege Predigttätigkeit und gerät erneut mit den Juden in Konflikt. Sie wollen ihn töten. Auf den Rat seiner Freunde hin flieht er nach Cäsarea Philippi (etwa 100 Kilometer nördlich des Sees Genezareth, an der Quelle des Jordan). Von dort geht es dann weiter über Antiochien in Syrien nach Tarsus, in seine Geburtsstadt. Später muss Paulus dann aber wieder nach Antiochien zurückgekehrt sein, denn eines Tages wird er von dort mit dem schon oben erwähnten Barnabas als Missionar für die Evangelisationstätigkeit nach Kleinasien ausgesandt.

Nun beginnt für Paulus eine lang anhaltende Missionstätigkeit. Dabei gründet er eine Reihe von Gemeinden, so zum Beispiel in Antiochien (Pisidien) und in Ephesus. Ephesus bildet wahrscheinlich sogar für einige Zeit den Mittelpunkt seiner Missionsarbeit.

Insgesamt spricht man von drei Missionsreisen des Paulus. Als er von seiner dritten Missionsreise nach Jerusalem zurückkehrt, um den Ältesten (=den Jüngern Jesu und den Leitern der Gemeinden in und um Jerusalem) von seiner Arbeit zu berichten, wird er bald darauf festgenommen.

Die Apostelgeschichte schildert im Kapitel 21 die sich überstürzenden Ereignisse in aller Ausführlichkeit. Paulus beruft sich bei verschiedenen Anhörungen durch die Behörden auf seine römische Staatsbürgerschaft und will nur das kaiserliche Gericht in Rom anerkennen. So wird er schließlich nach Rom gebracht. Aus dem Gefängnis in Rom schreibt er einige bedeutende Briefe: so wahrscheinlich den Epheser-, Philipper- und Kolosserbrief.

Wahrscheinlich stirbt Paulus 67 nach Christus in Rom den Märtyrertod durch Enthauptung.

Edwin Suckut

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