Monatsspruch September 2008

Gott spricht: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. (Jeremia 31,3)

Liebe Leserin, lieber Leser,

es gab Zeiten, da diente dieser Spruch als Trost, wenn ein Kind gestorben war: Gott habe dieses Kind so lieb gehabt, dass er ihm den langen Marsch durch das Jammertal erspart und es gleich wieder zu sich geholt habe.

Ich weiß, dieser Spruch redet nicht vom Sterben, sondern vom Leben. Der Spruch will sagen: Gott hat sein Volk so geliebt, dass er alles tut, um die nach Babylon Verschleppten wieder zu sich, nach Jerusalem zu bringen, wo nach damaliger Meinung Gott wohnte. Ich weiß, der Spruch ist anders gemeint. Aber lasst mich mal bei dem angefangenen Thema bleiben: Wie gehen wir damit um, dass Kinder und junge Menschen sterben müssen?

Als erstes: Für den Glauben entscheidend sind nicht unsre Vorstellungen, wie es sein müsste, sondern die harten Tatsachen der Welt. Dazu gehören auch Krankheit, Leid und Tod. Das wollen wir nur nicht mehr wahr haben. Noch vor 120 Jahren starb in Georgenhausen/Zeilhard mehr als ein Drittel aller Kinder bevor sie ein Jahr, und fast die Hälfte, bevor sie fünf Jahre alt waren. Die Fortschritte der Medizin haben die Säuglingssterblichkeit stark eingedämmt, aber auch heute noch sterben auch bei uns Kinder und Jugendliche. Eine Welterklärung, die Leid und Tod nicht einkalkuliert, taugt nichts. Viele "glauben" aber an einen "lieben Gott", der uns nichts Böses tun will. Ist das ein Fehler Gottes oder sind unsre Vorstellungen falsch, wenn wir gegenteilige Erfahrungen machen?

Als nächstes ist unsre eigene Einstellung gefragt: Ich habe vor dreißig Jahren selbst erlebt, als unser Kind starb, wie der Glaube uns tragen kann. Das heißt, wenn er schon vorher vorhanden war. Ein Kirchenlied hat mir sehr geholfen, das mir spontan einfiel und das ich auswendig konnte. Das ist wie bei der Feuerwehr: Sie kann nur löschen, wenn jeder Handgriff sitzt und wieder und wieder geübt wurde. Auch unser Glaube muss geübt werden in langjähriger Glaubenspraxis. Und angesichts des Todes, anderer Menschen und unsres eigenen, sich bewähren.

Und schließlich: Wie können wir trösten? Ich habe in einem ähnlichen Fall erlebt, dass jemand versucht hat, mit Bibelsprüchen zu trösten. Das hat nichts genutzt, weil die Angehörigen nicht damit vertraut waren. Als hilfreich empfand ich es aber, dass Freunde stunden-, ja tagelang bei uns waren und uns Gelegenheit gaben, unsre Trauer in Worte zu fassen. Heute werden von einigen Kirchengemeinden Trauerseminare und -Gruppen angeboten, das scheint eine gute Sache zu sein.

Was wir tun können und müssen, ist dass wir uns selbst auf einen Trauerfall und den Tod vorbereiten. Der CVJM hat darüber hinaus die Möglichkeit, Glauben einzuüben und auch über den Tod zu sprechen.

So was tut man nicht? Tut man doch. Wir gingen mal mit den Angestellten der Gemeinde zum Chinesen. Während wir auf das Essen warteten, unterhielten wir uns spontan und ganz locker über Sterbefälle und das Sterben überhaupt. Wo hat man sonst Gelegenheit, drüber zu sprechen als bei Christen?

Gott will uns bei sich haben, zunächst mal auf der Erde. Und wenn wir unser Leben lang bei ihm sind, was kann sich da nach dem Tod noch ändern?

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner