Monatsspruch November 2021

Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf das Warten auf Christus. (2. Thessalonicher 3,5)

Liebe Leserin, lieber Leser,

zwischen dem alten und neuen Schuljahr liegen die Sommerferien. Das Schuljahr ist also 6 Wochen kürzer als das bürgerliche Jahr und der Jahreswechsel ist im Sommer. Das Rechnungsjahr ist drei Monate länger, weil man ja Zeit braucht, um die Jahresrechnung abzuschließen. Und das Kirchenjahr ist 6 Tage kürzer: Es beginnt mit dem 1. Advent und endet mit dem "letzten Sonntag im Kirchenjahr".

Das Kirchenjahr ist gegliedert nach dem Leben Jesu (Geburt, Leiden, Auferstehung, Himmelfahrt) und der Zeit danach (Ausgießung des Geistes und die Zeit der Kirche) und endet mit dem Warten auf die Wiederkunft Christi. Und ähnlich ist ja unser Leben gegliedert: Vorfreude auf das Baby (Advent), Geburt (Weihnachten), Beschneidung (1. Januar) bzw. Taufe, Ende der Kindheit und Beginn eines neuen Lebens (Passion, Ostern, Pfingsten) und schließlich Alter und Tod (Ende des Kirchenjahrs).

Der letzte Monat im Kirchenjahr (November) ist voll trauriger Tage: Gedenktag aller Heiligen, die oft ganz schrecklich ums Leben kamen, und aller übrigen Seelen im Himmel - Volkstrauertag zum Gedenken an die Opfer der Naziherrschaft - Totensonntag mit Erinnerung an unser eigenes Ende und das Ende der Welt. Am Mittwoch vorher war bis vor einem Vierteljahrhundert der Buß- und Bettag, gewidmet der notwendigen Selbstkritik.

Der Totensonntag heißt kirchlich korrekt "Ewigkeitssonntag". Er soll also nicht nur an unsre Toten erinnern, sondern an die "Ewigkeit", an den Tod selbst und was danach auf uns wartet. Ewigkeit war in der Sprache vergangener Generationen ein Wort für die Parallelwelt Gottes, das Jenseits, bildlich Himmel und Hölle. Für uns alles unvorstellbar. Deshalb betrachte ich dieses Thema von einer anderen Seite:

Ewigkeit ist das Gegenteil von Zeit: Für den Toten bleibt die Uhr stehen, die Zeit hört auf und ohne Zeit gibt es keinen Raum. Für ihn ändert sich nichts mehr. Er kann seine Pläne nicht mehr verwirklichen und seine Fehler nicht wieder gutmachen. Ewigkeit ist eine Eigenschaft, die wir Gott zuschreiben, "der ist und war und kommt." Er allein hat von oben den Überblick. Die Seeleute ohne Kompass orientierten sich an den Sternen, um ihre Position auf hoher See zu bestimmen und ihr Ziel zu finden. So können auch wir uns orientieren - nicht an den Sternen, aber an Gott und der Ewigkeit.

Marie Schmalenbach hat das 1882 so formuliert: "Ewigkeit, in die Zeit leuchte hell hinein, dass uns werde klein das Kleine und das Große groß erscheine."

Ein anderer Orientierungspunkt ist das Ende. "Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen" beten wir mit dem 90. Psalm, "damit wir klug werden". Kurzsichtige Pläne sind unüberlegt und dumm.

Am Ewigkeitssonntag denken wir aber auch daran, dass nicht nur unser Leben, sondern auch die Welt ein Ende hat. Das muss ja nicht gleich das Ende des Universums sein oder unsres Planeten. Es reicht, wenn die Welt zusammenbricht, wie wir sie kennen. Einen Weltuntergang hab ich beim "Zusammenbruch" 1945 erlebt mit dem brennenden Darmstadt, zerstörten Häusern und Millionen von Toten. Der nächste Zusammenbruch steht vor der Tür. Einen Vorgeschmack haben wir bei den Flutkatastrophen und Waldbränden erlebt. Können wir so weitermachen, als wäre nichts geschehen?

Und schließlich heißt es im Monatsspruch: "Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf das Warten auf Christus." Ich muss dir mal was sagen, lieber Leser, liebe Leserin: Du brauchst nicht zu warten, er kommt nicht mehr. Denn er ist schon da. Öffne dich und lass ihn herein.

"Gib mir Liebe ins Herz, lass mich leuchten, gib mir Liebe ins Herz, bet' ich.
Herr, du selbst bist das Licht, das erleuchtet, darum scheine du nun selbst durch mich.
Lass mich sein wie lebendiges Wasser, das durch Trockenheit fließt, bet' ich.
Herr, Du selbst bist das lebende Wasser, darum fließe Du nun selbst durch mich.
Lass mich sein für die Welt wie ein Hirte, der für andere lebt, bet' ich.
Herr, Du selbst bist der allertreuste Hirte, darum sei Du nun auch das durch mich."

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner