Die Kinderfreizeit in Herbstein - ein Fahrtenbericht

25.03. - 03.04.1996

GruppenfotoVormittags beim Mitarbeiter-Brunch schien uns die Freizeit noch einigermaßen fern zu sein - und außerdem gab's noch ein paar Bedenken und Vorbehalte. Abends waren wir dann mittendrin. Fünf Kinder: Tobias, Jens, Michael und Martin und Sandra und vier Mitarbeiter: Dominik, Gerrit, Claudia und Tobias im CVJM-Feriendorf in Herbstein. Drei Kinder wurden später "nachgeliefert": Sven und Ronan kamen am Dienstag, Kirsten am Donnerstag dazu.

Beim Kennenlern-Abend wurden wir schnell warm miteinander: beim Schoßsitzspiel kam so ziemlich jeder auf jeden zu sitzen und beim Zeitungsschlagen gab's - nein, keine heißen Ohren - aber glühende Knie. Vorher schon hatte uns "Oberbürgermeisterin" Claudia in "Jerusalem" begrüßt (leicht zu erkennen am Ortsschild über der Tür zum Tagesraum). Dominik hatte mit uns eine "Stadtführung" übers Gelände gemacht, so dass jetzt jeder wusste, wo und wann es Essen gab, wann der Kiosk geöffnet hatte, wo der Streichelzoo mit den Ziegen und Hängebauchschweinen war und über welche Geländegrenzen man sich ohne Mitarbeiter nicht hinwegbegeben sollte. Das Bibelthema der Freizeit befasste sich mit der Passions- und Ostergeschichte, und so war inzwischen auch Jesus auf seinem Esel in Jerusalem eingezogen. Wir hatten mit dem Volk mitgejubelt und "Hosianna" gerufen - ja, und jetzt saßen wir beim Spieleabend bzw. lagen wenig später in unseren Betten.

Der nächste Morgen brachte eine Überraschung: Nach einer sehr ruhigen(!) ersten Nacht waren die Kinder zwar beim Wecken um halb acht schon alle wach und topfit, waren aber trotzdem (um andere Gruppen auf dem Gelände nicht zu stören) leise in ihren Hütten geblieben. Im Jungenhaus gab es für uns gleich den ersten Anpfiff: Jetzt ist es schon 7.32 Uhr. Ihr wolltet uns um halb acht wecken! Wenn ihr morgen nicht pünktlicher seid, wecken wir euch, klar!"… Wir haben dann versucht, uns zu bessern…

Am Vormittag brachte uns eine Fahndung mit anschließender Jagd nach Helmuth, dem Vogelsbergräuber - auf Trab und manche auch zu Fall. Viele Wege im Wald glichen einer Eisbahn. Helmuth hatte angeblich das begehrte Kochbuch der Heimküche gestohlen - vermutlich, um auch einmal so gutes Essen wie die Feriendorf-Bewohner genießen zu können. Zum Schluss kam allerdings heraus, dass er einen üblen Fehlgriff getan und das Kochbuch mit einem Bündel Altpapier verwechselt hatte.

Im Laufe des Nachmittags regnete es sich draußen dermaßen ein, dass wir unser geplantes Stadtspiel vertagen mussten (auf den Sankt Nimmerleinstag) und uns stattdessen im Tagesraum vergnügten.

Nun ein Ausschnitt aus den Vogelsberger Nachrichten:
Mittwoch, 27. März: Herbstein. "Im Wald ist heute morgen eine Gruppe Kinder beobachtet worden, die von sich behauptet Einwohner der Stadt Jerusalem zu sein (sie nannten sich "Jerusalämmer" - oder so ähnlich). Nicht weit davon entfernt wurde eine zweite Kindergruppe gesehen, die sich als "Römer" bezeichnete. Beide Gruppen bauten am Vormittag Hütten, am Nachmittag rannten sie aufgeregt durch den Wald, schlichen sich an und beraubten sich gegenseitig. Scheinbar waren die mit buntem Klebeband "verzierten" Fichtenzapfen sehr wertvoll, denn davon häuften beide Gruppen wahre Berge in ihren Hütten an. Ein paar ältere Gestalten saßen oder standen im Gelände und sahen dem Treiben ohne Einhalt zu gebieten zu. Dieselben vier Gestalten wurden am Abend und im Schneetreiben am nächsten Morgen vor ihrer Hütte dabei gesehen, wie sie mühsam Isolierband und Fichtenzapfen voneinander trennten. Das eine verschwand im Müll, der Rest im Wald. Bei dieser Aktion wurden sie von einzelnen Kindern unterstützt."

Am Abend kauerten wir alle ums Lagerfeuer, hörten eine Bibelgeschichte, konnten einen feuerspuckenden Tobias aus nächster Nähe beobachten und versuchten später, aus unserem Hefeteig etwas Essbares zu produzieren, indem wir ihn um einen Stock wickelten ("Tobias, du hast heute aber klebrige Hände!") und über die Glut hielten. Allerdings verdienten nur wenige Erzeugnisse den Namen "Stockbrot".

Donnerstag: Heute Vormittag wurden zum ersten Mal die Hobbygruppen angeboten. Bei Tobias und Claudia wurden aus Luftballons und Quarzsand Jonglierbälle gebastelt, anschließend wurde gleich noch ein Schnellkurs in Jonlage angeboten. Gerrit und Dominik sammelten mit den Kindern Holzstücke und schnitzten mit ihnen vor der Hütte Spielzeug aus Astholz. Am Abend saßen wir gemeinsam beim Passahmahl der Jünger mit Matzenbrot und rotem Tee zusammen. Wir sahen, wie Judas sich von den anderen absetzte und erlebten bei einer keinen Nachtwanderung die Müdigkeit der Jünger im Garten Gethsemane und die anschließende Gefangennahme Jesu durch Soldaten. Teils haben wir die Geschichte gespielt, teils erzählt - sehr eindrücklich sind mir dabei manche Gedanken, Anmerkungen und Fragen einiger Kinder in Erinnerung geblieben.

Frieren in LauterbachAm Freitag sind wir mit dem Linienbus (Haltestelle direkt vor dem Feriendorf!) nach Lauterbach gefahren, haben dort (zum größten Teil) das Wellenbad mit unserem Besuch beglückt(?) und anschließend die Altstadt unsicher gemacht. Jeder hat seine/ihre bestimmten Erinnerungen an die Stadt; so wissen zum Beispiel Kirsten und Dominik, dass ziemlich genau zwölf Trittsteine durch die Lauter führen (oder waren es doch fünfzehn?). Dominik und Tobias haben einer Verkäuferin Nachhilfe im Umgang mit französischen Messern gegeben. Und wir alle wissen, dass die Spielplätze in Lauterbach ungeheizt und dementsprechend kalt sind (und somit eine längere Mittagspause dort nicht gerade empfehlenswert ist!). Weil es auch heute Abend draußen noch "recht frisch" gewesen ist und manche von uns sowieso schon erkältet sind, hatten wir unser Lagerfeuer heute Abend im Tagesraum brennen. Wir saßen also zur Bibelgeschichte um drei Teelichter herum und hörten und sahen, wie dem Jünger Petrus plötzlich das Herz in die Hose rutschte und er behauptete, Jesus nie gekannt zu haben.

QuizIn den nächsten Tagen wurden noch zweimal Hobbygruppen angeboten. Jetzt kamen auch eine Theatergruppe (mit Dominik) und zwei Bastelgruppen mit Moosgummi (Claudia) und mit Leder (Gerrit) zustande. Es bliebe noch so viel zu erzählen: von dem fast schon traditionellen Freizeitquiz, der zwei Gruppen den ganzen Abend in Atem hielt. Von dem Film "Die wunderbare Welt der Tiere", den wir uns an einem müden Abend zu Gemüte führten. Oder von der Fortsetzungsgeschichte "Flucht - Kurs Ararat", die jeden Abend im Jungenhaus vorgelesen wurde, wenn die Jungen schon im Bett lagen (die beiden Mädchen hatten dann noch einen kalten Weg bis zu ihrer Hütte zurückzulegen die Mitarbeiter aber auch!) und die immer an der spannendsten Stelle abgebrochen wurde - unter dem Protest derer, die dann noch nicht eingeschlafen waren. Unvergessen bleibt uns die Russin Tanja, die mit ihrem dummen Geschwätz die beiden aus dem Kriegsgefangenenlager geflohenen jungen Deutschen in manch schwierige Lage brachte und uns zum Lachen durch ihre lustige Aussprache. ("So ist das in diesem Land, mein Täubchen. Nitschewo. Hihihihi!")

Am Sonntagmorgen haben wir einen selbstgestalteten Gottesdienst gefeiert, bei dem es um die Geschichte vom vierfachen Ackerfeld ging (Matthäus 13,4-9 und 18-23). Ein Sämann wirft seinen Samen aus. Einige Körner fallen auf den Weg, einige auf ein wenig Erde zwischen den Felsen, andere fallen zwischen die Dornen und Disteln - und ein Teil fällt auf den guten Boden. So sät Gott sein Wort in unsere Herzen - einfach verschwenderisch. Wie gehen wir damit um? Was für ein Boden sind wir? Eine Antwort darauf muss sich jeder selber geben.

Der Montag war ein besonderer Tag - jedenfalls für Dominik. Er hatte Geburtstag, wurde deshalb mit besonderen Ehren geweckt und bekam nachher sogar mehrköpfigen Besuch aus Südhessen. Der Nachmittag wurde noch mal etwas schweißtreibend. In zwei Gruppen sollten 100 Zettel mit Fragen gesucht und beantwortet werden. Jede Gruppe musste ihre Antwort am Spieltisch abgeben, durfte dann würfeln, auf einem Spielplan (Sonderanfertigung) ihren Spielstein setzen und dann den nächsten Zettel suchen. Die Bibelgeschichte wurde heute auf besondere Art erzählt: In der Umgebung hatten wir selbstgemalte Plakate mit den 14 Kreuzwegstationen aufgehängt und mit Fackeln beleuchtet. In der Abenddämmerung zogen wir dann mit der ganzen Gruppe von Station zu Station, erzählten die dazugehörige Geschichte, machten uns Gedanken zu den Bildern und tauschten uns darüber aus. Viele Beiträge kamen auch von den Kindern; manche kannten die Stationen schon, manche hatten gute Gedanken dazu.

Eigentlich müsste ich mit dem Schreiben so langsam aufhören, aber je mehr ich schreibe und mich zurückerinnere, desto mehr fällt mir ein. Ihr wisst noch nicht, dass wir gleich am ersten Abend den Kometen Hyakutake bei klarem Himmel beobachtet haben. Ich habe auch noch nichts vom Abschlussabend und von der Nachtwanderung geschrieben, habe auch noch nicht erwähnt, dass wir zwischendurch eine Schneeballschlacht machten, öfters mit der Seilbahn übers Gelände gefahren sind, und dass einige von uns oft die Ziegen mit ihren Jungen besucht haben. Die Mitarbeiter hatten sich in ihrem Zelthaus noch gegen Haustiere anderer Art gewappnet, aber die Mausefalle (sogar eine Lebendfalle!) blieb dann doch leer. Übrigens gab es auch mehr oder weniger beliebte Zimmerkontrollen mit verschiedenen Auf- und Abstufungen und dem darauffolgenden entsprechenden Protest: "Das ist ja unfair! Ihr seid gemein, die anderen haben ja…!"Als die Kinder schließlich dazu übergingen, auch bei uns Mitarbeitern Zimmerkontrollen durchzuführen, haben wir unser Zelthaus so in Unordnung versetzt, dass den ersten Kontrolleuren nur noch aus tiefstem Herzen ein "O Gott!" herausrutschte (Zitat Sandra). Um zum Anfang zurückzukommen: Im Nachhinein würde ich sagen, war's eine tolle Freizeit, trotz der niedrigen Teilnehmerzahl. Die ganze Fahrt hat viel Spaß gemacht und sich auf jeden Fall gelohnt. Die Kinder untereinander hatten, trotz gelegentlicher Schwierigkeiten, auffällig wenig Streit (im Verhältnis zu anderen Fahrten), auch wurde niemand links liegengelassen oder stand außen vor. Völlig ungewöhnlich war aber, dass wir während der ganzen Freizeit keinen Arzt und kein Krankenhaus aufzusuchen brauchten. Ein Grund dankbar zu sein ist auch, dass trotz einiger Erkältungen niemand richtig krank geworden ist. So bekam unser VW-Bus am Mittwochnachmittag Verstärkung, und wir konnten gesund und mit vielen Erlebnissen, neuen Eindrücken und Bekanntschaften die Heimfahrt antreten. Nach kurzer Fahrzeit herrschte bei mir im VW-Bus eine Seelenruhe - nur unterbrochen durch einige tiefe Schnarcher, denn anstrengend war's auch.

Mal sehen, was es im nächsten Jahr gibt.

Gerrit Langenbruch

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